Die Nichtbeförderung, Verspätung oder Annullierung eines Flugs ist leider keine Seltenheit und gerade in der Zeit, in der man den stressigen Alltag hinter sich lassen möchte, besonders ärgerlich. Doch Passagiere sind hier den Fluggesellschaften nicht schutzlos ausgeliefert und es können Ausgleichsansprüche, Ansprüche auf Erstattung des Flugpreises sowie alternative Beförderungs- und/oder Betreuungsleistungen bestehen. Diese Ansprüche sind zudem unabhängig vom ursprünglichen Flugpreis. Gerade bei dem gemeinsamen Familienurlaub bestehen daher häufig Ausgleichszahlungsansprüche in nicht geringem Umfang. Viele Urlauber machen diese Ansprüche jedoch aus Unwissenheit über ihre rechtliche Position nicht geltend. Wir haben nachfolgend einige Fragen für Sie beantwortet, die in dem Zusammenhang häufig gestellt werden:


Wann besteht ein Anspruch auf Ausgleichszahlung?

Ein Anspruch aus Artikel 7 Fluggastrechteverordnung (FGRVO) setzt zunächst eine Annullierung oder Verspätung des Flugs oder eine Nichtbeförderung gegen den Willen des Passagiers voraus. Von einer Verspätung ist hierbei erst zu sprechen, wenn das Endziel

  • bei einer Entfernung von weniger als 1.500 km mindestens zwei Stunden
  • bei einer Entfernung zwischen 1.500 km und 3.500 km mindestens drei Stunden
  • und bei einer Entfernung von mehr als 3.500 km mindestens vier Stunden

nach der geplanten Ankunftszeit erreicht wird.

Die Fluggastrechteverordnung findet Anwendung, wenn die Reise von einem Flughafen, der in einem EU-Mitgliedsstaat liegt, angetreten wurde oder wenn lediglich der Zielflughafen innerhalb der EU liegt, die Fluggesellschaft aber ihren Firmensitz in einem EU-Mitgliedsstaat hat. Der Anspruch besteht in diesen Fällen gegen die Fluggesellschaft selbst.


Gibt es Ausnahmen, in denen kein Ausgleichsanspruch besteht?

Ein Ausgleichsanspruch liegt im Falle einer Annullierung nicht vor, wenn die Annullierung

  • zwei Wochen vor Antritt des Fluges gegenüber dem Fluggast kommuniziert wurde
  • nach einer kurzfristigen Informierung erfolgte und dem Fluggast ein anderer Flug angeboten wird, wobei die Abflugs- oder Ankunftszeit jedoch nur in geringer Weise von den Zeiten des ursprünglichen Flugs abweichen dürfen
  • auf außergewöhnliche Umstände zurückgeht und die Fluggesellschaft dies nachweist; Beispiele hierfür sind etwa unvorhersehbare Naturereignisse, Luftraumsperrungen, schlechte Wetterbedingungen, Streik, oder politische Instabilität. Häufig begründen Fluggesellschaften Ausfälle mit einem technischen Defekt, welcher nicht vorhersehbar gewesen sei. Ein technischer Defekt begründet allerdings an sich noch keinen außergewöhnlichen Umstand, der die Fluggesellschaft von der Zahlung einer Entschädigung befreit. Auch der häufig vorgebrachte allgemeine Hinweis auf außergewöhnliche Umstände stellt sich oft als leere Behauptung heraus.

Wie hoch sind die Ausgleichsansprüche?

Die Anspruchshöhe richtet sich nach der Entfernung zwischen Abflugs- und Zielort.

  • bis 1500 km beträgt die Anspruchshöhe 250,- € pro Person
  • von 1.500 km bis 3.500 km beträgt die Anspruchshöhe 400,- € pro Person
  • bei über 3.500 km beträgt die Anspruchshöhe 600,- € pro Person

Wann besteht Anspruch auf Erstattung des Flugpreises oder auf anderweitige Beförderung?

Bei einer Flugverspätung von mehr als fünf Stunden oder im Falle einer Annullierung des Fluges, kann der Fluggast vom Vertrag zurücktreten und hat einen Anspruch auf Erstattung des Flugpreises. Der Fluggast ist jedoch auch berechtigt von der Fluggesellschaft eine anderweitige Beförderung zum Endziel zu verlangen. Lesen Sie dazu vertieft hier weiter.


Welche Betreuungsleistungen können von der Fluggesellschaft verlangt werden?

Fluggäste haben einen Anspruch auf eine unentgeltliche Versorgung mit Getränken und Verpflegung, wenn Sie gezwungen sind, eine bestimmte Zeit auf den Flug zu warten. Die Fluggesellschaft ist dazu verpflichtet, bei Kurzstrecken ab zwei Stunden, bei Mittelstrecken ab 3 Stunden, und bei Langstrecken ab 4 Stunden Flugverspätung, Mahlzeiten und Erfrischungen in einem angemessenen Verhältnis zur Wartezeit anzubieten.
Darüber hinaus können Fluggäste die Unterbringung in einem Hotel verlangen, wenn durch die Flugverspätung ein zusätzlicher Aufenthalt von einer oder mehreren Nächten notwendig ist. Die Beförderungskosten zu der Unterbringung sind ebenfalls von der Fluggesellschaft zu tragen.

Verweigert die Fluggesellschaft die Betreuungsleistungen, so kann der Passagier Ersatz der angefallenen Kosten verlangen. Hierbei ist unbedingt zu beachten, dass der Fluggast die entsprechenden Quittungen aufbewahrt, um die angefallenen Kosten gegebenenfalls in einem Rechtsstreit nachweisen zu können.


Den Anschlussflug verpasst; was jetzt?

Der Anspruch auf eine Entschädigung in einem solchen Fall ist grundsätzlich abhängig von der Flugverspätung am Endziel. Endziel ist hierbei der Zielort auf dem Flugschein, der am Abfertigungsschalter vorgelegt wird. Im Falle eines direkten Anschlussflugs ist der Zielort des letzten Fluges das Endziel und damit die dort vorliegende Verspätung entscheidend. Eine mehr als dreistündige Abweichung von der vertraglichen Ankunftszeit eines direkten Anschlussfluges führt dabei zu einem Anspruch auf Ausgleichzahlungen. Entscheidend ist hierbei, dass eine Verspätung des Abflugs gerade nicht erforderlich ist, sondern die verzögerte Ankunftszeit am Endziel maßgeblich ist.


Gibt es Unterschiede, wenn die Flüge von zwei unterschiedlichen Luftfahrtunternehmen durchgeführt werden?

Hierbei gilt es, zwei Konstellationen zu unterscheiden:
Im ersten Fall werden die Buchungsbestätigungen für beide Flüge durch das die Verspätung verursachende Luftfahrtunternehmen ausgegeben. In diesem Fall besteht ein Anspruch gegen eben dieses Luftfahrtunternehmen.
Im zweiten Fall stellt ein Reiseunternehmen die Flüge für den Kunden zusammen und die Buchungsbestätigung wird durch dieses Unternehmen ausgegeben. Ob damit die Voraussetzungen für einen Ausgleichsanspruch vorliegen, ist durch die Rechtsprechung noch nicht abschließend geklärt. Der Bundesgerichtshof hat diese Frage dem Europäischen Gerichtshof, der für die Auslegung der Fluggastrechteverordnung zuständig ist, zur Entscheidung vorgelegt.


Flugverspätung bei Pauschalreisen

Bei einer Pauschalreise stehen den Passagieren grundsätzlich die gleichen Rechte zu wie bei einer separaten Buchung des Fluges.
Zu unterscheiden ist bei Pauschalreisen lediglich, ob es sich um eine Flugverspätung handelt, oder ob der Reiseveranstalter die Pauschalreise absagt und die Annullierung nicht durch den Flug bedingt ist.
Diese Differenzierung ist entscheidend, da der Entschädigungsanspruch wegen Flugverspätung gegenüber der Fluggesellschaft in der Regel wesentlich höher ausfällt als eine Reispreisminderung gegenüber dem Reiseveranstalter. Wenn die Annullierung durch den Reiseveranstalter erfolgt, kann allerdings keine Entschädigung nach der Fluggastrechteverordnung gegenüber der Fluggesellschaft geltend gemacht werden. In einem solchen Fall ist es ratsam, den Reisepreis bei dem Reiseveranstalter zu mindern.


Wie sollte man vorgehen?

Die Fluggesellschaften sind in der Regel nicht bereit, freiwillig zu leisten und spekulieren auf die Unwissenheit der Urlauber in Bezug auf die ihnen zustehenden Rechte. Daher erscheint der Weg zum Rechtsanwalt in der Regel unumgänglich und ratsam. Im Übrigen können die entstandenen Rechtsanwaltskosten regelmäßig als Schadensposition gegen die Fluggesellschaft geltend gemacht werden, da es sich hierbei um Aufwendungen handelt, zu denen sich der Mandant herausgefordert fühlen durfte.

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