Durch unseren Antrag auf Haftprüfung ist es uns gelungen, die Freilassung eines Mandanten zu erwirken, der sich im September 2017 in der JVA München in Untersuchungshaft befand.

Zur Vorgeschichte: Der Mandant befand sich am 30. September 2017 gemeinsam mit drei Freunden – alle vier sind britische Staatsangehörige – auf dem Münchener Oktoberfest. Zwischen einem der Freunde und einem auf einer rückwärtigen Bank sitzenden italienischen Besucher kam es zunächst zu einer verbalen und dann zu einer handgreiflichen Auseinandersetzung. Im Verlauf dieser Handgreiflichkeit erlitt der Geschädigte neben einigen Prellungen eine Nasenbeinfraktur. Unser Mandant wurde beschuldigt, gemeinsam mit seinen Freunden über mehrere Minuten auf den wehrlos auf der Bank liegenden Geschädigten eingeschlagen zu haben. Wegen des dringenden Tatverdachts der gefährlichen gemeinschaftlichen Körperverletzung wurde der Mandant gemeinsam mit seinen Freunden vorläufig festgenommen und aufgrund des Haftbefehls vom selben Tage in der JVA München wegen Fluchtgefahr in Untersuchungshaft genommen. Der Geschädigte konnte nach ärztlicher Untersuchung das Krankenhaus noch im Laufe derselben Nacht wieder verlassen.


Haftgrund und Fluchtgefahr

Während seitens der Staatsanwaltschaft stets neue Zeugen präsentiert wurden, die den Tatverdacht gegen die vier Beschuldigten angeblich bestätigen konnten, gelang es uns, den zuständigen Richter davon zu überzeugen, dass weder das von der Staatsanwaltschaft in Aussicht gestellte Strafmaß von zwei bis vier Jahren Freiheitsstrafe bei dem zur Last gelegten Sachverhalt realistisch erscheint noch der Haftgrund der Fluchtgefahr im Falle unseres Mandanten besteht. Insbesondere ließ das Verletzungsbild des Geschädigten nicht darauf schließen, dass die vier Beschuldigten gemeinsam über einige Minuten auf ihn eingeschlagen hätten.


Ungleichbehandlung von EU-Bürgern

Darüber hinaus teilte der Richter die Ansicht, dass nach dem Recht der Europäischen Union eine Ungleichbehandlung von Deutschen und EU-Bürgern auch im Strafrecht nicht zulässig ist. Daher vermöge „der Umstand allein, dass jemand – sei es auch als Ausländer – seinen Wohnsitz im Ausland hat und demgemäß – wie hier – über keine tragfähigen sozialen Bindungen im Inland verfügt, (… den Haftgrund der) Fluchtgefahr allein nicht zu begründen.“ (Beschluss des AG München vom 7.11.2017 – Az. 854 Ls 256 Js 195959/17) Die beruflichen, familiären und sozialen Lebensumstände des Mandanten seien daher hinreichend geeignet, um einer etwaigen Fluchtgefahr entgegenzuwirken. „Die danach festzustellende soziale Integration des Angeschuldigten in einem Mitgliedstaat der Europäischen Union steht der sozialen Integration des Angeschuldigten im Inland gleich (vgl. OLG Düsseldorf, Beschluss vom 6.10.2005 – Az. 4 Ws 461-462/05). Schließlich ist zu berücksichtigen, dass das Vereinigte Königreich auch eigene Staatsangehörige über das Mittel des Europäischen Haftbefehls ausliefert.“ Mit dieser Begründung hat das Gericht der von der Staatsanwaltschaft eingelegten Beschwerde nicht abgeholfen.

Folgerichtig hat der Richter den Haftbefehl aufgehoben und die Freilassung des Mandanten gegen Zahlung einer Kaution als Sicherheit angeordnet. Der Mandant kam noch am selben Tag auf freien Fuß und konnte die Heimreise antreten.