Im Februar 2017 hat der Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg (Az.: 11 S 447/17) entschieden, dass Abschiebung dann rechtlich nicht zulässig ist, wenn die konkrete Gefahr gegeben ist, dass sich der Gesundheitszustand des Betroffenen durch die Abschiebung selbst wesentlich oder lebensbedrohlich verschlechtert und eine Minderung oder ein Ausschluss dieser Gefahr nicht durch bestimmte Vorkehrungen getroffen werden kann.


Grundsätzlich: Ausreisepflicht bei Ablehnung des Asylantrages

§ 50 Absatz 1 des Aufenthaltsgesetzes (AufenthG) ist ein Ausländer zur Ausreise verpflichtet, wenn er einen erforderlichen Aufenthaltstitel nicht oder nicht mehr besitzt und ein Aufenthaltsrecht nach dem Assoziationsabkommen EWG/Türkei nicht oder nicht mehr besteht.  Gemäß § 50 Absatz 2 des AufenthG hat ein Ausländer das Bundesgebiet unverzüglich oder, wenn ihm eine Ausreisefrist gesetzt ist, bis zum Ablauf der Frist zu verlassen. Kommen Sie als Ausländer der Ausreisepflicht nicht nach, kann es zu einer Abschiebung kommen. Die Abschiebung stellt die Vollstreckung dieser Ausreisepflicht dar, welche als Maßnahme des unmittelbaren Zwangs von der Ausländerbehörde gemäß § 71 Absatz 1 AufenthG oder von dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge angeordnet wird und von den Vollstreckungsbehörden der Länder (von der Landespolizei gemäß § 71 Absatz 5 AufenthG) durchgeführt wird.


Ausnahme: Anspruch auf Aussetzung der Abschiebung bei Abschiebungshindernissen

Abschiebung ist jedoch gemäß § 60 a Absatz 2 Satz 1 des AufenthG auszusetzen, solange die Abschiebung aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen unmöglich (Abschiebungshindernis) ist und keine Aufenthaltserlaubnis erteilt wird. Der Fall, der dem Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg im Februar 2017 zur Entscheidung vorlag, hatte ein solches Abschiebungshindernis zur Grundlage. Es handelte sich dabei um eine suizidgefährdete Frau, welche ursprünglich aus Mazedonien in die Bundesrepublik Deutschland eingereist war und nun nach Ablehnung des Asylantrages abgeschoben werden sollte. Da es sich bei der Betroffenen um eine suizidgefährdete Frau gehandelt hat, haben die deutschen Behörden den mazedonischen Behörden die konkrete Abschiebung angemeldet, um sicherzustellen, dass diese bei ihrer Ankunft in Mazedonien am Flughafen Skopje ärztlich in Empfang genommen werde. Diese Anmeldung erfolgte jedoch lediglich per E-Mail und wurde von den mazedonischen Behörden lediglich durch eine automatisch generierte E-Mail beantwortet.

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Gesundheitsgefahr als Abschiebungshindernis

Abschiebung betraute Behörde, durch eine hinreichende Ausgestaltung bei der tatsächlichen Durchführung der Abschiebung, erhebliche Gefahren für Leib und Leben der abzuschiebenden Menschen abzuwenden, vgl. BVerfG, Kammerbeschluss vom 17.09.2014 – 2 BvR 939/14, NVwZ 2014, 1511 Rn10.).

Art. 3 EMRK soll ebenfalls vor einer Abschiebung, die zu einer ernsthaften und irreversiblen Gesundheitsverschlechterung, welche zu einem schweren Leid oder einer erheblichen Verringerung der Lebenserwartung führt, schützen, vgl. EGMR (GK), Urteil v. 13.12.2016- 41738/10- Paposhvili). Auch aus der jüngsten Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte im Verfahren Paposhvili gegen Belgien (EGMR (GK); Urteil v. 13.12.16- 41738/10) wurde festgestellt, dass der abschiebende Staat eine individuelle und hinreichende Zusicherung des Zielstaates einholen muss, um seiner Pflicht aus Art. 2 Absatz 2 GG nachzukommen und sicherzustellen, dass die Abschiebung mit Art. 3 EMRK zu vereinbaren ist.


Anforderungen an die Anmeldung der Abschiebung beim Zielstaat

Liegt ein Fall vor, in dem mit einer erheblichen Verschlechterung des Gesundheitszustandes des Abzuschiebenden gerechnet wird, reicht demnach eine lediglich automatisch generierte Antwort von der Behörde des Zielstaates für eine ordnungsgemäße Abschiebung nicht aus. Dieses technische System birgt nämlich die Gefahr, dass die Anmeldung oder die Ankündigung der Abschiebung schlimmstenfalls gar nicht oder nur unzureichend wahrgenommen wird.

Folglich muss zumindest eine kurze nicht automatisierte zustimmende Antwort der Behörden des Zielstaates vorliegen. Erst dann können die deutschen Behörden davon ausgehen, alles für die tatsächliche Durchführung der Abschiebung Erforderliche getan zu haben. Ein Vertrauen in ein regelmäßiges Funktionieren der Kooperation reiche nicht aus. Das Funktionieren muss in diesem Zusammenhang regelmäßig sichergestellt werden, vgl. VGH Mannheim, Beschluss v. 22.02.17- 11 S 447/17). Nur abstrakte Zusagen von der Behörde des Zielstaates sind in diesem Zusammenhang ebenfalls unzureichend, vgl. OVG LSA, Beschluss vom 21.06.16- 2 M 16/16).

Da es sich bei der abzuschiebenden Frau um eine suizidgefährdete Frau gehandelt hat, musste sichergestellt werden, dass sie während des Abschiebungsverfahrens und auch bei Anreise im Zielstaat nicht in der Lage ist, einen Suizid zu begehen. Da die deutsche Behörde im vorliegenden Fall die tatsächliche Ausführung der Abschiebung durch die unzureichende Anmeldung im Zielstaat nur schwach ausgerichtet hat, hat der Verwaltungsgerichtshof die abschiebende Behörde im o.g. Fall im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, die Abschiebung bis zu einem bestimmten Termin auszusetzen und die abschiebende Behörde darauf aufmerksam gemacht, dass eine Abschiebung im Falle von erheblich gesundheitsgefährdeten Menschen nur dann rechtlich zulässig ist, wenn sie den oben aufgeführten Maßstäben entspricht.


Fazit

Der Fall zeigt, dass eine E-Mail an den Zielstaat, in der der Betroffene lediglich angekündigt und um medizinische Empfangnahme gebeten wird, nicht ausreichend ist. Es muss vielmehr eine medizinische Grundversorgung sichergestellt werden. Ob die Vorkehrungen, welche die abzuschiebende Behörde dabei getroffen hat, tatsächlich den gesetzlichen Vorgaben entspricht, ist jedoch stets anhand des Einzelfalls zu überprüfen.

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