Unerlaubtes Entfernen vom Unfallort, auch Fahrer- oder Unfallflucht genannt, ist in Anbetracht der hier drohenden strafrechtlichen Konsequenzen nicht zu unterschätzen. Als schwerwiegendes Delikt wird es mit einer Geldstrafe oder Freiheitsstrafe von bis zu drei Jahren geahndet. Darüber hinaus kann die Fahrerlaubnis entzogen oder ein Fahrverbot erteilt werden. Dennoch kommt es in Deutschland zu mehreren Hunderttausend Unfallfluchten im Jahr.
Anders als bei “einfachen” Ordnungswidrigkeiten ist bei Verkehrsstrafsachen eine effektive Verteidigung nur mit Hilfe eines entsprechend qualifizierten Rechtsanwalts möglich.
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Feststellungsduldungspflicht und Wartepflicht
Ein Unfallbeteiligter macht sich strafbar, wenn er sich vom Unfallort entfernt, bevor er die Feststellung seiner Person, seines Fahrzeugs und der Art seiner Beteiligung durch seine Anwesenheit und durch die Angabe, dass er am Unfall beteiligt ist, ermöglicht hat (§ 142 Abs. 1 Nr. 1 StGB). Ermöglicht werden sollen solche Feststellungen, die erforderlich sind, um etwaige zivilrechtliche Ersatzansprüche zu sichern bzw. abzuwehren.
Diese Feststellungsduldungspflicht besteht, sofern feststellungsbereite Personen anwesend sind. Das können entweder andere Unfallbeteiligte und Geschädigte sein oder zu ihren Gunsten handelnde dritte Personen, insbesondere die Polizei.
Sind keine feststellungsbereiten Personen anwesend, besteht eine Wartepflicht. Ein Unfallbeteiligter macht sich in diesem Fall strafbar, wenn er sich vom Unfallort entfernt, bevor er eine angemessene Zeit gewartet hat, ohne dass jemand bereit war, die Feststellungen zu treffen (§ 142 Abs. 1 Nr. 2 StGB). Die Dauer der angemessenen Wartezeit richtet sich nach den Umständen des Einzelfalls. Maßgebend sind insbesondere Art und Schwere des Unfalls, die Unfallzeit sowie der Unfallort und die Verkehrsdichte. Grundsätzlich besteht die Wartepflicht nur, solange damit zu rechnen ist, dass alsbald feststellungsbereite Personen eintreffen. Es sollten jedoch auch bei einem nur geringen Schaden mindestens zehn Minuten gewartet werden.
Nachträgliche Feststellungsermöglichung
Entfernt man sich erst nach Ablauf der Wartefrist vom Unfallort, macht man sich dennoch strafbar, wenn man die Feststellungen nicht unverzüglich nachträglich ermöglicht (§ 142 Abs. 2 StGB). Unverzüglich bedeutet dabei, dass ohne schuldhaftes Zögern gehandelt werden muss. Häufig kann es daher erforderlich sein, sich vom Unfallort unmittelbar zu einer Polizeidienststelle zu begeben. Auch hier sind jedoch die Umstände des Einzelfalls entscheidend.
Die Pflicht zur nachträglichen Feststellungsermöglichung gilt auch bei berechtigter oder entschuldigter Entfernung vom Unfallort. Berechtigt entfernt man sich vom Unfallort, wenn ein Rechtfertigungsgrund eingreift. In Betracht kommen etwa eine Einwilligung des Geschädigten oder ein rechtfertigender Notstand nach § 34 StGB, z.B. aufgrund der Versorgung einer verletzten Person im Rahmen der allgemeinen Hilfspflicht (§ 323c Abs.1 StGB). Ein entschuldigtes Entfernen vom Unfallort kann angenommen werden, wenn Entschuldigungs- oder Schuldausschließungsgründe eingreifen.
Ob tatsächlich ein unerlaubtes Entfernen vom Unfallort gegeben ist, hängt von den Umständen des Einzelfalls ab und bedarf nicht selten einer sorgfältigen rechtlichen Prüfung. Dafür stehen Ihnen unsere Rechtsanwälte für Strafrecht gerne zur Verfügung.
Wen treffen die Pflichten des § 142 StGB?
Der Straftatbestand des § 142 StGB verpflichtet Personen, die an einem Unfall im Straßenverkehr beteiligt sind. Darunter fällt jedes plötzliche Ereignis, das mit den typischen Gefahren des Straßenverkehrs ursächlich zusammenhängt und durch das ein nicht nur belangloser Personen- oder Sachschaden verursacht wird. Erfasst ist ausschließlich der öffentliche Straßenverkehr. Die Wertgrenze für die Beurteilung der Belanglosigkeit liegt bei ungefähr 25 bis 50 Euro (OLG Jena, Beschluss v. 7.7.2005, Az.: 1 Ss 161/04 bzw. OLG Nürnberg, Beschluss v. 24.1.2007, Az.: 2 St OLG Ss 300/06).
Als Unfallbeteiligter im Sinne des § 142 StGB gilt nicht nur der offensichtliche Unfallverursacher, sondern jeder, dessen Verhalten nach den Umständen zur Unfallverursachung beigetragen haben kann (§ 142 Abs. 5 StGB). Die Bestimmung, wer tatsächlich am Unfall beteiligt war, kann häufig erst durch die Feststellungen am Unfallort ermöglicht werden. Auch ein Beifahrer kann Unfallbeteiligter sein, wenn er dem Fahrer beispielsweise ins Lenkrad gegriffen hat.
Zu beachten ist weiterhin, dass den Straftatbestand des unerlaubten Entfernens vom Unfallort nur erfüllt, wer vorsätzlich handelt. Wer also z.B. den Unfall überhaupt nicht wahrgenommen hat, macht sich nicht strafbar.
Strafrechtliche und versicherungsrechtliche Konsequenzen
Unerlaubtes Entfernen vom Unfallort wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft. Erleidet man einen Unfallschock, kann dies strafmildernd berücksichtigt werden. Zudem mildert das Gericht die Strafe oder kann sogar von ihr absehen, wenn der Unfallbeteiligte innerhalb von vierundzwanzig Stunden nach dem Unfall freiwillig die Feststellung ermöglicht (§ 142 Abs. 4 StGB). Dies gilt jedoch nur bei Unfällen außerhalb des fließenden Verkehrs, also im Wesentlichen bei Parkunfällen, die ausschließlich nicht bedeutende Sachschäden zur Folge haben. Hierfür gibt es keine eindeutige Wertgrenze. Angesetzt wird unter anderem bei ungefähr 1.300 Euro (vgl. OLG Hamm, Beschluss v. 30.9.2010, Az.: III 3 RVs 72/10).
Sich unerlaubt vom Unfallort zu entfernen, kann darüber hinaus die Entziehung der Fahrerlaubnis zur Folge haben (§ 69 Abs. 1, 2 Nr. 3 StGB). Dies gilt insbesondere, wenn die Person wusste oder wissen konnte, dass bei dem Unfall ein Mensch getötet oder nicht unerheblich verletzt worden oder an fremden Sachen bedeutender Schaden entstanden ist. Darüber hinaus kann die Wiedererteilung der Fahrerlaubnis von einer medizinisch-psychologischen Untersuchung (MPU) abhängig gemacht werden. Wird von der Entziehung der Fahrerlaubnis abgesehen, kann gegebenenfalls ein Fahrverbot angeordnet werden (§ 44 StGB).
Neben den strafrechtlichen Konsequenzen hat das unerlaubte Entfernen vom Unfallort regelmäßig auch versicherungsrechtliche Folgen. So kann etwa die vollständige Leistungsfreiheit des Fahrzeugversicherers oder eine Leistungskürzung folgen (§ 28 Abs. 2 VVG). Bei der Kfz-Haftpflichtversicherung ist jedoch zu berücksichtigen, dass die Leistungsfreiheit des Versicherers gegenüber dem Versicherungsnehmer auf 2.500 Euro bzw. 5.000 Euro beschränkt ist (§ 6 KfzPflVV).
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