Grundsätzlich haben Patienten gemäß § 630 g BGB einen Anspruch auf vollständige Einsicht in ihre Krankenakte, soweit nicht erhebliche therapeutische Gründe oder erhebliche Rechte Dritter entgegenstehen. Das Amtsgericht München (Urteil vom 6.3.2015, Az.: 243 C 18009/14) hat nun entschieden, dass der Arzt auch dann sämtliche Unterlagen in Kopie gegen Kostenerstattung zur Verfügung stellen muss, wenn noch eine Behandlungsrechnung offen steht. Ein Zurückbehaltungsrecht besteht nicht.

Sachverhalt

Vor dem Amtsgericht München hatte eine Krankenkasse gegen eine in München Schwabing sitzende Zahnärztin geklagt. Die versicherte Patientin hatte sich bei der beklagten Ärztin zwischen Dezember 2012 und Januar 2013 behandeln lassen. Gegenüber ihrer klagenden Krankenkasse gab die Patientin an, die Beklagte habe an ihr nicht besprochene Zahnbehandlungen vorgenommen und eine Krone zerstört, nun leide sie an Schmerzen und habe einen bitteren Geschmack im Mund. Nachdem die Versicherte eine Schweigepflichtentbindungserklärung unterschrieb und mit der Herausgabe ihrer Akte an die Krankenversicherung einverstanden war, forderte die Klägerin die Patientenakte an.

Da die Zahnärztin nicht reagierte, klagte die Versicherung auf Herausgabe der Patientenakte gegen Erstattung der Kopierkosten. Diese legte während des Verfahrens lediglich einen Teil der Unterlagen vor. Außerdem waren die vorgelegten Kopien der Röntgenaufnahmen aufgrund ihrer schlechten Qualität nicht brauchbar. Die Beklagte erklärte dazu, die Röntgenaufnahmen könnten in ihren Praxisräumen im Original eingesehen werden. Im Übrigen machte die Ärztin an der Vorlage der Unterlagen ein Zurückbehaltungsrecht geltend, da ihre Honorarforderung noch nicht ausgeglichen sei.

Anspruch auf Einsicht in die Patientenakte kann auf Krankenkasse übergehen

Das Amtsgericht München bestätigte in seiner Entscheidung zunächst, dass das Recht auf Einsicht in die Krankenakte wirksam auf die Krankenkasse übergegangen sei. Die Krankenkasse könne Herausgabe verlangen, da ein Anspruch auf Schadensersatz wegen fehlerhafter zahnärztlicher Behandlung möglich sei. Das Einsichtsrechts in die Patientenakte sei ein Hilfsrecht und zur Durchsetzung etwaiger Schadenersatzansprüche erforderlich, auch für die Klägerin.

Anspruch ist erst erfüllt, wenn sämtliche Unterlagen vorliegen

Obwohl die Beklagte im Prozess einige Unterlagen vorgelegt hatte, bestand der Anspruch auf Einsichtnahme in vollem Umfang fort. Dieser Anspruch sei ein einheitlicher und damit erst dann erfüllt, wenn sämtliche Unterlagen vorlägen. Im vorliegenden Verfahren lagen bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung die Röntgenaufnahmen nicht vor, sodass die Beklagte zu Herausgabe sämtlicher Unterlagen der Patientenakte zu verurteilen war. Folgerichtig entschied das Amtsgericht, dass auch keine teilweise Erfüllung vorgelegen habe.

Der behandelnde Arzt hat kein Zurückbehaltungsrecht an der Patientenakte

Die Beklagte konnte dem Anspruch der Klägerin auch kein Zurückbehaltungsrecht wegen der offenen Honorarforderung entgegen halten. Der Anspruch auf Einsicht in die Krankenakte dient der Feststellung eines möglichen Anspruchs gegen den Behandelnden. Die Klägerin hatte eine Zahlung an die Beklagte gerade aus diesem Grund verweigert. Patient oder Krankenkasse hätten keine Möglichkeit ihre gesetzlichen Ansprüche durchzusetzen, wenn dem Arzt an den Krankenunteralgen ein Zurückbehaltungsrecht zustünde.

Fazit

Die Entscheidung des Amtsgerichts München ist zu begrüßen. Sie verdeutlicht das Verhältnis zwischen Patient, Arzt und Versicherung. Hervorzuheben ist insbesondere, dass der behandelnde Arzt sämtliche Unterlagen in brauchbarer Form vorzulegen hat.

 


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