Carlos Ghosn ist der in Brasilien geborene ehemalige Vorstandsvorsitzende von Nissan sowie der ehemalige Vorsitzende und CEO der Renault-Nissan-Mitsubishi-Allianz. Gegen diesen äußerst erfolgreichen Geschäftsmann wurde 2022 eine Interpol Red Notice ausgestellt. Eine solche wurde auch gegen seine Frau Carole Ghosn ausgestellt. Damit soll seine Auslieferung aus dem Libanon nach Japan erwirkt werden. Herr Ghosn besitzt nicht nur einen brasilianischen Pass, sondern auch die französische und libanesische Staatsangehörigkeit.


Hintergrund zum Fall von Carlos Ghosn

Carlos Ghosn kann auf eine sehr erfolgreiche Geschäftskarriere zurückblicken und hat maßgeblich dazu beigetragen, sowohl Renault als auch Nissan zu sanieren. Ghosns ergebnisorientierte Herangehensweise sorgte dafür, dass die Unternehmen wieder profitabel wurden. Die asiatische Ausgabe des Forbes Magazine kürte ihn 2006 zur Person des Jahres. Im Jahr 2018 wurde Ghosn jedoch in Japan wegen des Verdachts des Verstoßes gegen Börsenauflagen verhaftet. Seitdem wartet er auf seinen Prozess, der voraussichtlich im April 2021 stattfinden wird. Während dieser Zeit verbrachte Carlos Ghosn rund 120 Tage in Untersuchungshaft. Nach der mit Auflagen versehenen Freilassung stand er unter Hausarrest und durfte das Land nicht verlassen.
Ende Dezember 2019 verließ Carlos Ghosn jedoch Japan und floh in den Libanon. Die Art und Weise seiner Ausreise ist umstritten, da seine Pässe von seinen Anwälten an die Behörden übergeben worden sein sollen. Herr Ghosn hat enge Verbindungen zum Libanon, da er selbst die libanesische Staatsbürgerschaft besitzt und seine Frau Carole Ghosn ebenfalls dort geboren wurde. Darüber hinaus verfügt er über ein privates Luxusanwesen in Beirut. Gegen Herrn Ghosn wurde von Interpol eine “Red Notice”-Ausschreibung eingetragen, um die Polizeibehörden weltweit darauf aufmerksam zu machen, dass er strafrechtlich verfolgt wird. Der Libanon ist zwar Mitglied von Interpol, hat jedoch kein Auslieferungsabkommen mit Japan, so dass es unwahrscheinlich ist, dass man ihn an Japan ausliefert. Die libanesischen Behörden haben vielmehr darauf gedrängt, dass der Prozess im Libanon stattfindet.


Interpol

Interpol steht für die Internationale Kriminalpolizeiliche Organisation und ist eine zwischenstaatliche Einrichtung, der Polizeibehörden aus 194 Ländern angehören. Sie hat das Ziel, die internationale Zusammenarbeit der verschiedenen nationalen Polizeibehörden zu verbessern und zu intensivieren, um so in Zeiten der Globalisierung und Internationalisierung von Kriminalität die nationale Strafverfolgung zu unterstützen. Zu diesem Zweck stellt Interpol ein globales Kommunikationssystem mit Datenbanken und Informationen für die Mitgliedsstaaten zur Verfügung. Sobald ein Land ein Fahndungs- und Auslieferungsersuchen an Interpol übermittelt, werden die anderen Mitgliedsländer nach einer Prüfung und Bewilligung des Ersuchens von Interpol darüber informiert.

Interpol Red Notice und was dies für Carlos Ghosn bedeutet

Eine Interpol Red Notice ermöglicht es einem Interpol-Mitgliedstaat, ein Ersuchen um Auffindung und vorläufige Festnahme einer Person zum Zwecke der späteren Auslieferung in die nationalen Datenbanken einzugeben. Die Red Notice ist also der Beginn einer Fahndung in verschiedenen Ländern, um ein anschließendes Auslieferungsverfahren einzuleiten. Im Fall von Carlos Ghosn wäre das Ziel, dass der Libanon ihn im Namen Japans festnimmt, um ihn anschließend nach Japan zu überstellen, wo er bereits angeklagt ist. Diese Red Notice ist jedoch nicht mit einem internationalen Haftbefehl gleichzusetzen, so dass Interpol das Land (in diesem Fall den Libanon) nicht zwingen kann, die Person zu verhaften. Der Mitgliedstaat entscheidet vielmehr selbst, welchen rechtlichen Wert er der “Red Notice” zuschreibt und ob er dem Festnahmewunsch nachkommt.
Für Herrn Ghosn besteht nun die Gefahr, dass er an Japan ausgeliefert wird, sollte er den Libanon verlassen. Begibt er sich in ein Land, das ein Auslieferungsabkommen mit Japan hat, würde er mit großer Wahrscheinlichkeit nach Japan überstellt werden, um dort auf seinen Prozess zu warten. Ebenso würde es Herrn Ghosn Schwierigkeiten bereiten, wenn der Libanon und Japan in Zukunft ein derartiges Auslieferungsabkommen schließen sollten. Theoretisch könnte Herr Ghosn einen Antrag auf Löschung der Red Notice stellen, doch ist dies in einem so prominenten Fall ein riskantes Unterfangen. Derzeit scheint sich eine Patt-Situation abzuzeichnen, in der Japan Herrn Ghosn überstellt bekommen und erneut in Haft nehmen möchte, während die libanesischen Behörden es vorziehen, dass Ghosn (als libanesischer Staatsbürger) im Libanon vor Gericht gestellt wird.


Interpol-Fahndungsaufruf gegen Carole Ghosn

Um Druck auf Carlos Ghosn auszuüben, haben die japanischen Behörden auch versucht, eine Interpol Red Notice gegen seine Ehefrau, Carole Ghosn, zu erlassen. Herr Ghosn hat ausdrücklich klargestellt, dass seine Frau nichts mit seiner Flucht zu tun hatte, sondern er sie selbst geplant und durchgeführt hat. Die japanischen Behörden wollen Frau Ghosn jedoch zu dem Vorwurf befragen, dass sie im April falsch ausgesagt hat. Sie glauben auch, dass sie ihren Mann bei seinen angeblichen kriminellen Aktivitäten unterstützt hat. Sollte die Red Notice für Frau Ghosn tatsächlich eingetragen werden, wird auch sie in ihrer Möglichkeit, den Libanon zu verlassen, eingeschränkt sein.


Auslieferungsrecht in Deutschland

Das anzuwendende Recht in Auslieferungsfällen richtet sich primär danach, ob zwischen dem die Auslieferung ersuchenden Staat und dem ersuchten Staat ein bilateraler Vertrag in Form eines Auslieferungsabkommens geschlossen wurde. Liegt ein solches Abkommen vor, so hat es Vorrang vor den allgemeinen Vorschriften aus dem Gesetz über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen (IRG), welches im Übrigen Anwendung findet. Deutschland unterhält verschiedene bilaterale Abkommen, beispielsweise mit den Vereinigten Staaten von Amerika oder Kanada.
Auf unserer Seite zum Thema Auslieferungsrecht finden Sie weiterführende Informationen. Für spezifische Fragen und konkrete Rechtstipps ist es jedoch ratsamer, sich direkt an unser fachmännisches Auslieferungsteam zu wenden. Im Folgenden stellen wir Ihnen gleichwohl einige allgemeine Regelungen und Verfahrensvorschriften vor, die im Rahmen einer Auslieferung zu beachten sind.
So hat zunächst nach § 74 der Strafprozessordnung (StPO) das Bundesamt für Justiz zu entscheiden, ob ein eingegangenes Auslieferungsersuchen rechtmäßig ist. Hierbei prüft es nicht nur formelle Anforderungen, sondern insbesondere, ob Gründe vorliegen, die eine Auslieferung verhindern (Auslieferungshindernisse). Sollte es keine derartigen Gründe finden, so ist es wahrscheinlich, dass das Ersuchen vollstreckt wird, die gesuchte Person also an den Staat überstellt wird. Sollten sich jedoch begründete Anhaltspunkte für einen Verstoß beispielsweise gegen das IRG, das Grundgesetz oder gegen die Europäische Menschenrechtskonvention (EMRK) ergeben, so kann sich hieraus die Rechtswidrigkeit bzw. Unzulässigkeit der Auslieferung ergeben. Über die Zulässigkeit hat insoweit gemäß § 13 IRG das Oberlandesgericht zu entscheiden.
Eine Auslieferung verbietet sich unter anderem, wenn:

  • nicht zu erwarten ist, dass der Beschuldigte ein faires Verfahren erhält (Art. 6 EMRK),
  • das Verfahren ausschließlich politisch motiviert ist (§ 6 IRG), oder
  • im ersuchenden Staat die betreffende Straftat mit der Todesstrafe bedroht ist und keine Gewähr besteht, dass die Todesstrafe nicht verhängt oder nicht vollstreckt wird (§ 8 IRG)

Dies sind nur einige Beispiele, die zur Unzulässigkeit einer erbetenen Auslieferung führen können. Für weitere Informationen und spezifisch fachkundigen Rat, kontaktieren Sie uns telefonisch, per Mail oder nutzen Sie ganz einfach unser Online-Kontaktformular. Unsere Spezialisten stehen Ihnen gerne in allen Fragen rund um das Auslieferungsrecht beratend und unterstützend zur Seite.


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