Seit fast 50 Jahren entzieht sich Roman Polanski dem noch immer ausstehenden Urteil, dass ihm wegen Geschlechtsverkehrs mit einer Minderjährigen in den USA droht. 1977 wurde er angeklagt und bekannte sich schuldig mit einer damals 13-jährigen Geschlechtsverkehr gehabt zu haben – er war damals 43 Jahre alt. Im Laufe des Verfahrens wurde eine Einigung dahingehend getroffen, die Strafe zur Bewährung auszusetzen. Vor der Urteilsverkündung zeichnete sich jedoch ab, dass trotz Zusicherung eine Gefängnisstrafe verhängt werden sollte. Polanski floh.

Als prominenter Regisseur verbrachte Polanski seine Zeit auf der Flucht nicht gerade unauffällig. Er veröffentlichte weiterhin Filme, nahm Preise entgegen und reiste durch Europa. Lediglich eine Einreise in die USA nahm er seit 1978 nicht mehr vor. Auch das Verhältnis zu seinem Opfer ist eher unüblich. Im Mai 2023 wurden Fotos von beiden zusammen gemacht und veröffentlicht. Sowohl Samantha Geimer, das damalige Opfer, als auch Polanskis Ehefrau posteten das gemeinsame Foto auf ihren Instagram-Accounts. Samantha Geimer sagte darüber hinaus in einem Interview, dass sie sich nicht als Opfer sehe und es ihr gut ginge. Polanski habe seine Schuld gegenüber der Gesellschaft bezahlt.

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Wie konnte Roman Polanski einer Auslieferung entgehen?

Aufgrund seiner Prominenz, war stets allgemein bekannt, dass in den USA ein Verfahren gegen ihn läuft. Seit 2005 ist er darüber hinaus mittels Interpol international zur Auslieferung ausgeschrieben. Ein zurückgezogenes Leben, wie man es sich bei einem Flüchtigen wohl vorstellt, führt Polanski jedoch nicht. Fraglich ist also, wie er all die Jahre einer Auslieferung entgehen konnte.

Als Wohnort suchte er sich nach seiner Flucht Frankreich aus. Als polnisch-französischer Staatsbürger ist er in Frankreich per Gesetz vor Auslieferungen geschützt. Wie auch viele andere Staaten liefert Frankreich eigene Staatsangehörige regemäßig nicht aus. Andere Länder, die Polanski bereiste, garantierten ihm einen solchen Schutz allerdings nicht. Einige Länder, wie Deutschland und die Schweiz hatten und haben noch immer ein Auslieferungsabkommen mit den USA und wären danach verpflichtet Polanski bei Vorliegen der Auslieferungsvoraussetzungen festzunehmen und zu überstellen.

Tatsächlich wurde Polanski 2009 in Zürich festgenommen und stand mehrere Monate unter Hausarrest, während über seine Auslieferung an die USA entschieden wurde. Die Schweiz lehnte schließlich jedoch das Ersuchen ab, Polanski wurde freigelassen. Die Schweiz erklärte, dass die USA unzureichende Sachverhaltsdarstellungen vorgebracht habe. Somit hätten nicht alle erforderlichen Unterlagen für die Zulässigkeit einer Auslieferung vorgelegen.

2015 kam der Fall erneut vor Gericht – dieses Mal in Polen. Die polnische Regierungspartei hatte sich im Wahlkampf tatsächlich für eine Auslieferung Polanskis ausgesprochen. Das Gericht sah die Sache jedoch anders, die Auslieferung wurde abgelehnt. Die Begründung für diese Ablehnung war die Vereinbarung zwischen Polanski und dem amerikanischen Gericht. Zur Vollstreckung einer Bewährungsstrafe müsste nicht ausgeliefert werden.

Demnach war ein Versteckspiel nicht notwendig, um der Auslieferung zu entgehen. Polanski bewegt sich legal in Europa und gilt nur in Amerika als Justizflüchtling.


Verjährt das Auslieferungsersuchen irgendwann?

Dass Polanski seit 1978 der Verurteilung in den USA entgeht, wirft die Frage nach Verjährung auf. Beinahe 50 Jahre ist das Verbrechen nun her, das Verfahren kam nie zum Abschluss. Grundsätzlich kann ein Auslieferungsersuchen nur bewilligt werden, wenn vor Antragstellung für die zu ahndende Straftat noch keine Verjährung eingetreten ist. Ausschlaggebend ist die Frist für die jeweilige Tat im ersuchenden Staat. Im Fall Polanski wäre damit die Verjährungsfrist für Vergewaltigung im Bundesstaat Kalifornien ausschlaggebend. Allerdings kommt es bei einem laufenden Verfahren nicht mehr auf die Verjährung an, denn das Verfahren hemmt die Frist. Das Auslieferungsersuchen selbst unterliegt keinen Fristen.

Um ein unendliches Verfahren zu verhindern und Rechtssicherheit zu erlangen, besteht auch die Möglichkeit der Urteilsverkündung in Abwesenheit des zu Verurteilenden. Dann käme eine Auslieferung zur Vollstreckung in Betracht, die jedoch weiteren Voraussetzungen unterliegt. Wie das Gericht in Polen zutreffend feststellte, wird beispielsweise regelmäßig nur für die Vollstreckung von Freiheitsstrafen ausgeliefert. Diese müssen eine gewisse Mindestdauer überschreiten. Außerdem ist bei der noch zu vollziehenden Freiheitsstrafe im ersuchenden Land die bereits im Gefängnis verbrachte Zeit der Auslieferungshaft abzuziehen. Polanski saß sowohl in der Schweiz als auch in den USA während des ursprünglichen Prozesses bereits in Haft. Eine Auslieferung zur Vollstreckung erscheint, insbesondere nach den Ausführungen des polnischen Gerichts, unwahrscheinlich.

Das Verfahren in den USA ist insoweit abgeschlossen, dass nur noch der Urteilsspruch aussteht. Polanskis Anwalt forderte bereits mehrfach zur Urteilsverkündung in Abwesenheit auf, was bisher jedoch immer abgelehnt wurde. Folglich bleibt das Auslieferungsersuchen so lange bestehen, bis das Verfahren in den USA zum Abschluss gekommen ist. So lange gilt Polanski als flüchtig und seine Auslieferung ist nach dem Gesetz nicht ausgeschlossen.


Aktuelle Entwicklungen

2017 forderte das damalige Opfer selbst das Ende von Polanskis Strafverfolgung. Nachdem sie 2014 in ihrem Buch noch schwere Vorwürfe gegen ihn erhob, vertritt sie seit seiner Entschuldigung die Auffassung er bereue die Tat und habe seine Schuld bereits beglichen. Weiterhin führte sie aus, die ständige Konfrontation mit der damaligen Tat sei belastend und sie wünsche einen Abschluss.

Mitte 2022 wurde die Zeugenaussage des ehemaligen Staatsanwalts veröffentlicht, die vorher unter Verschluss gehalten wurde. Der Staatsanwalt sagte aus, dass die Zweifel an der Einhaltung der Einigung berechtigt gewesen sind. Der damalige Richter, der mittlerweile verstorben ist, hatte bereits vorher Zusagen gegenüber Polanski wieder zurückgezogen. Im Zuge dieser neuen Indizien einer Befangenheit seitens des Richters versucht Polanskis Anwalt erneut eine Urteilsverkündung in Abwesenheit zu erreichen. Es bleibt abzuwarten, ob das Verfahren gegen den inzwischen 90-jährigen Polanski noch ein Ende finden wird.