In einem aktuellen Fall gelang es unserem Team, einen Mandanten erfolgreich vor einer Überstellung zur Strafverfolgung an Belgien zu bewahren. Bei einer erfolgreichen Auslieferung hätte unserem Mandanten eine Freiheitsstrafe von bis zu 15 Jahren bevorgestanden. Unsere Anwälte haben vor Gericht – neben formellen Fehlern des Europäischen Haftbefehls – deutlich machen können, dass der Mandant durch die zu erwartenden schlechten Haftbedingungen in Belgien der Gefahr einer unmenschlichen bzw. erniedrigenden Behandlung im Sinne von Artikel 4 der EU-Grundrechtecharta ausgesetzt wäre und dass das Auslieferungsbegehren damit unzulässig ist.

Die Verteidigung in einem Auslieferungsverfahren ist eine juristisch komplexe und zeitkritische Angelegenheit. Unsere erfahrenen Anwälte für Auslieferungsrecht nutzen das enge Zeitfenster, um eine effektive Verteidigungsstrategie zu erstellen. Gemeinsam mit den Betroffenen und Angehörigen arbeiten sie zielsicher auf eine Außerkraftsetzung des Europäischen Haftbefehls hin, um die Gefahr einer immanenten Festnahme und den damit verbundenen Folgen umgehend aufzulösen.

Sie können sich jederzeit an unsere Kanzlei wenden, wenn Sie ein bestimmtes Problem oder eine Rechtsfrage zum Auslieferungsrecht haben. Unsere Anwälte sind telefonisch und per E-Mail erreichbar und bieten die Möglichkeit von Videokonferenzen. Für weitere juristische Informationen besuchen Sie bitte unsere Homepage zum Auslieferungsrecht und Interpol.

Auslieferungen innerhalb der Europäischen Union

Auslieferungen innerhalb der Europäischen Union ergehen regelmäßig auf Grundlage des Europäischen Haftbefehls. Die Zulässigkeitsvoraussetzungen für die Auslieferung deutscher Staatsangehöriger nach dem Europäischen Haftbefehl sind, dass

  • der ersuchende Staat den Verfolgten auf dessen Wunsch zur Vollstreckung der Strafe zurück nach Deutschland überstellen muss und
  • gemäß § 80 Absatz 1 Satz 1 Nr. 2 IRG ein maßgeblicher Bezug zum ersuchenden Mitgliedstaat bestehen muss. Dieser ist anzunehmen, sofern die in Rede stehende Tathandlung auf dem Hoheitsgebiet des ersuchenden Staates stattgefunden hat oder der Taterfolg zumindest in wesentlichen Teilen dort eingetreten ist.

Der Europäische Haftbefehl ist durch den Grundsatz der gegenseitigen Anerkennung geprägt. Das bedeutet, dass innerhalb der EU darauf vertraut wird, dass die anderen Staaten die erforderlichen Voraussetzungen einhalten. Es wird demnach ein gegenseitiges Vertrauen zwischen den Mitgliedstaaten angenommen, sodass das mit einem Auslieferungsersuchen befasste Gericht davon ausgehen kann, dass der ersuchende Mitgliedstaat die EU-Grundrechtscharta beachtet. Etwas anderes ist nur anzunehmen, wenn Auslieferungshindernisse gemäß § 83 des Gesetzes über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen (IRG) vorliegen oder gemäß § 73 Satz 2 IRG die Auslieferung zu den in Artikel 6 des Vertrages über die Europäische Union enthaltenen Grundsätzen im Widerspruch stünde.


Über den Fall

Unserem Mandanten wurde vorgeworfen, seit August 2021 die Schlüsselfigur einer international tätigen kriminellen Vereinigung zu sein. Insgesamt wurde er in vier Punkten von der belgischen Staatsanwaltschaft angeklagt. Im Falle der Auslieferung hätten ihm bis zu 15 Jahre Freiheitsstrafe gedroht. Ein Europäischer Haftbefehl, mit dem die belgische Staatsanwaltschaft die Überstellung zur Strafverfolgung unseres Mandanten begehrte, erging durch ein Gericht erster Instanz in Westflandern.

Im Anschluss daran wurde der Mandant nach einer groß angelegten Grundstücksdurchsuchung festgenommen und noch am selben Tag dem Ermittlungsrichter vorgeführt. Vor diesem hat unser Mandant, unzureichend beraten durch seinen Pflichtbeistand, seine Zustimmung zu der vereinfachten Auslieferung gemäß §§ 41, 83h, II, III IRG abgegeben.

Unsere Rechtsanwälte konnten das Gericht überzeugen, dass eine Auslieferung für unseren Mandanten mit Hinblick auf seine persönliche Krankheitsgeschichte und die zu befürchtende Lage in belgischen Gefängnissen aufgrund von u.a.

  • gravierender Überbelegung,
  • mangelnder rechtzeitiger medizinischer Versorgung,
  • baufälliger Gebäude,
  • kaum organisierten Aktivitäten außerhalb der Zelle und daher bis zu 23 Stunden täglichen Aufenthalts in den Zellen
  • sowie massivem Personalmangel

unzulässig ist.

Das Gericht hat darin ein Auslieferungshindernis nach § 73 IRG angenommen. § 73 IRG sieht die Leistung von Rechtshilfe als unzulässig, sofern sie den wesentlichen Grundsätzen der deutschen Rechtsordnung widerspräche oder die Auslieferung unvereinbar mit den in Artikel 6 des Vertrages über die Europäische Union enthaltenen Grundsätzen wäre.

Das mit dem Auslieferungsersuchen befasste Gericht musste sich dementsprechend mit Artikel 4 der EU-Grundrechtscharta befassen. Demnach galt es aufzuklären, ob die zu überstellende Person aufgrund der Bedingungen seiner Haft der Gefahr einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung ausgesetzt sein wird. Danach muss die Menschenwürde des Verfolgten im ersuchenden Mitgliedsstaat gewährleistet sein und sein Wohlergehen sowie seine Gesundheit müssen in angemessener Weise sichergestellt werden. Das Gericht führte dazu aus, dass der Verfolgte keiner Last ausgesetzt werden dürfe, deren Intensität über das dem Freiheitsentzug unvermeidlich innewohnende Maß des Leidens hinausgehe.

Dies geschah in einer zweistufigen Prüfung. Zunächst hat das Gericht die allgemeine Haftsituation anhand objektiver Angaben bewertet und in einem zweiten Schritt festgestellt, ob konkret im Hinblick auf die betroffene Person die Gefahr der unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung besteht. Das befasste Gericht hat im Ergebnis bei einer Gesamtwürdigung entschieden, dass im Hinblick auf Reporte über die defizitären Haftbedingungen in belgischen Haftanstalten und dem gesundheitlichen Zustand unseres Mandanten die Mindestanforderungen an eine Haftunterbringung nicht erfüllt sind und somit die Gefahr der unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung konkret besteht.

Die Auslieferung unseres Mandanten nach Belgien zwecks Strafverfolgung wegen der ihm in dem Haftbefehl zur Last gelegten Taten wurde daher vom Gericht als unzulässig erklärt und unser Mandant unverzüglich aus der Haft entlassen.


Schlun & Elseven: Kompetenter Rechtsbeistand in Auslieferungsrecht

Unser hochqualifiziertes Team für Auslieferungsrecht betreut Mandanten weltweit in Auslieferungsangelegenheiten. Wir legen besonderen Wert auf eine enge Zusammenarbeit, um für Sie eine gründliche und effektive Verteidigungsstrategie vorzubereiten, die auch einer genauen Prüfung standhält. Wir prüfen im Detail, wie wir einen Europäischen Haftbefehl gegen Sie formell und inhaltlich anfechten können. Mit der richtigen Strategie, umfassendem rechtlichem Fachwissen und langjähriger Erfahrung ist – wie der obige Fall zeigt – die Abwendung einer Auslieferung möglich.