Deutschland leidet nach wie vor unter akutem Fachkräftemangel, bedingt durch den demografischen Wandel und den Einstieg der Babyboomer-Generation ins Rentenalter. In der Folge tritt der Mangel an Fachpersonal in fast allen Berufsgruppen auf und nimmt der Wirtschaft damit zunehmend Aufschwungschancen. Im Jahr 2022 haben 72,7 % der befragten Unternehmen angegeben, Fachkräfteengpässe zu haben. Um Deutschland zu einem attraktiveren Standort zu machen, arbeitet die Bundesregierung daran, die Hürden für Zuwanderung aus dem Ausland abzubauen und damit die Fachkräfteeinwanderung zu fördern. So wurde nun, am 23.06.2023, das Gesetz zur Weiterentwicklung des Fachkräfteeinwanderungsgesetzes beschlossen, in dessen Rahmen ein neuer Aufenthaltstitel in Form einer punktebasierten Chancenkarte eingeführt wird.

Sie können sich jederzeit an unsere Kanzlei wenden, wenn Sie ein bestimmtes Problem oder eine Rechtsfrage zur Chancenkarte haben. Unsere Anwälte sind telefonisch und per E-Mail erreichbar und bieten die Möglichkeit von Videokonferenzen. Für weitere juristische Informationen besuchen Sie bitte unsere Homepage zum Aufenthaltsrecht.

Was ist die Chancenkarte?

Eine “Chancenkarte” ist laut Legaldefinition ein Aufenthaltstitel zur Suche nach einer Erwerbsqualifikation oder nach Maßnahmen zur Anerkennung ausländischer Berufsqualifikationen.

Mit der Einführung der Chancenkarte soll die Einwanderung zu Erwerbszwecken deutlich vereinfacht werden. Sie basiert auf einem Punktesystem, dass nach Angaben der Bundesregierung transparent und unbürokratisch ist. Die Chancenkarte ermöglicht die Einreise, um vor Ort auf Jobsuche zu gehen. Sie bietet während der Jobsuche (bzw. zum Zwecke der Jobsuche) die Möglichkeit zur Probearbeit und Nebenbeschäftigung. Hat der Betroffene dann einen festen Arbeitsplatz gefunden, kann er einen entsprechenden Aufenthaltstitel zum Arbeiten bekommen.


Erwerb der Chancenkarte: Welche Voraussetzungen müssen erfüllt sein?

Einerseits kann die Chancenkarte einer ausländischen Fachkraft erteilt werden. Andererseits, was wohl die deutlich höhere praktische Relevanz haben dürfte, kann sie erteilt werden, wenn der Antragsteller mindestens 6 Punkte nach dem Punktesystem aufweist.

1. Lebensunterhaltssicherung

Zwingende Voraussetzung ist in jedem Fall, dass der Lebensunterhalt gesichert ist. Nach bereits geltendem Recht setzt die Erteilung eines jeden Aufenthaltstitels in der Regel voraus, dass der Lebensunterhalt gesichert ist, § 5 AufenthG. Der Lebensunterhalt gilt als gesichert, wenn er ohne Inanspruchnahme öffentlicher Mittel bestritten werden kann, § 2 Abs.3 AufenthG. Durch diese zwingende Voraussetzung zum Erhalt der Chancenkarte soll sichergestellt werden, dass neue Belastungen des öffentlichen Haushalts vermieden werden. Die Prüfung dieser Voraussetzung erfolgt mittels Prognoseentscheidung anhand zur Verfügung stehender Mittel in Relation zur vorgesehenen Geltungsdauer des befristeten Aufenthaltstitels, im Fall der Chancenkarte also von maximal einem Jahr. Maßgeblich ist, ob ein Anspruch auf Sozialleistungen besteht, nicht, ob die betreffende Person tatsächlich Sozialleistungen in Anspruch nimmt.

2. Einstufung als Fachkraft

Als Fachkraft im Sinne des Aufenthaltsgesetzes gilt jeder, der entweder eine Berufsqualifikation besitzt, die als mit einer inländischen qualifizierten Berufsausbildung gleichwertig gilt (Fachkraft mit Berufsausbildung), oder einen Hochschulabschluss besitzt, der mit einem deutschen Hochschulabschluss vergleichbar ist (Fachkraft mit akademischer Ausbildung), § 18 Abs.3 AufenthG. Wer diese Voraussetzung erfüllt, muss keine Punkte nach dem Punktesystem mehr vorweisen, sondern kann direkt den Antrag auf eine Chancenkarte stellen.

3. Punktesystem

Wer keine Fachkraft ist, kann über Kriterien wie Sprachkenntnisse oder Berufserfahrung Punkte generieren. Wer mindestens 6 Punkte nachweist, kann einen Antrag auf die Chancenkarte stellen.

Das Punktesystem sieht vor, dass für eine Berufsqualifikation, die in Deutschland als gleichwertig anerkannt wird oder die Erlaubnis für einen reglementierten Beruf darstellt 4 Punkte erteilt werden. Damit setzt die Chancenkarte wie bereits bestehende Aufenthaltstitel auf die Qualifikation des Berufs.

Verschieden viele Punkte werden je nach Sprachniveau entweder der deutschen oder aber auch der englischen Sprache vergeben, sodass Deutschkenntnisse zwar erwünscht, aber nicht notwendig sind, um einen Aufenthaltstitel erteilt zu bekommen.

Mehrjährige Berufserfahrung nach Erwerb einer Berufsqualifikation wird ebenfalls honoriert, ebenso das Alter der betreffenden Person. Wer nicht älter als 35 Jahre alt ist, erhält 2 Punkte, wer zwar älter als 35 Jahre aber nicht älter als 40 Jahre ist, erhält 1 Punkt.

Beantragt der Ehegatte oder der eingetragene Lebenspartner ebenfalls die Chancenkarte, erhalten beide dafür 1 Punkt, da familiäre Bindungen voraussichtlich die Integration erleichtern und die Bundesregierung auf langfristige Migration setzen möchte.


Fachkräfteeinwanderungsgesetz: Weitere Neuerungen

Neben der Neueinführung der Chancenkarte werden weitere Erleichterungen der Erwerbsmigration eingeführt. So wird für den Erhalt der EU Blue Card die Gehaltsschwelle gesenkt, die Dauer der Berufserfahrung gekürzt und der Nachweis von Deutschkenntnissen entfällt. Darüber hinaus wird die Einstufung als Fachkraft und das Anerkennungsverfahren vereinfacht. Die Westbalkan-Regelung wird durch die Neuerung entfristet und ihr Kontingent verdoppelt. Weitere Anpassungen erfolgen beim Familiennachzug.


Schlun & Elseven: Umfassende Unterstützung im Aufenthaltsrecht

Unsere Experten für Aufenthaltsrecht sind Ihnen gerne bei allen Problemen oder Fragen zur Einwanderung nach Deutschland bzw. zur Einbürgerung behilflich. Wir beraten Sie in einer Vielzahl von Sprachen bezüglich der in diesem Bereich bestehenden rechtlichen Möglichkeiten. Lassen Sie unsere Experten überprüfen, ob aktuell bei Ihnen oder Ihren Job-Kandidaten die Voraussetzungen für einen Aufenthaltstitel vorliegen. Unsere Anwälte übernehmen ebenfalls gerne die Betreuung aller Ihrer Anträge, damit das Antragsverfahren schnell und komplikationslos abläuft. Kontaktieren Sie uns jetzt, um eine Zusammenarbeit mit unseren Rechtsexperten zu beginnen.