Die deutsche Bundesregierung kündigte 2022 an, zwei Migrationspakete auf den Weg zu bringen. Diese sollen grundlegend das Einwanderungsrecht vereinfachen und erweitern. Das Migrationspaket 1 war bereits Ende 2022 beschlossen worden, sodass die Neuerungen im Asylverfahrensrecht und das neue Chancen-Aufenthaltsrecht inzwischen eingeführt wurden. Dieses Jahr soll das Migrationspaket 2 umgesetzt werden. Insbesondere hat der Bundestag mit der Chancenkarte bereits eine neue Aufenthaltserlaubnis beschlossen.
Beschleunigtes Asyl-und Asylgerichtsverfahren
Als Teil des Migrationspakets 1 ist zum 01.01.2023 das Gesetz zur Beschleunigung des Asylgerichtsverfahrens und Asylverfahrens in Kraft getreten.
Insbesondere wurde die lange Zeit geforderte unabhängige Asylverfahrensberatung eingerichtet. Asylbewerber können nun bei einer nicht-staatlichen Stelle Auskünfte zum Verfahren und allgemeine Unterstützung erhalten. Diese Beratungsstelle soll insbesondere das Bundesamt für Migration erheblich entlasten, welches aufgrund von personellen Engpässen Nachfragen oft nicht oder nur unzureichend bzw. verspätet nachkommen konnte. Auf diese Weise soll das Bundesamt mehr Kapazitäten für die Durchführung der Asylverfahren aufbringen können, sodass die einzelenen Verfahren mit weniger Wartezeit abgeschlossen werden können.
Außerdem ist nun gesetzlich festgelegt, dass die Entscheidung des Bundesamts für Migration im Asylverfahren grundsätzlich nicht länger als 6 Monate dauern darf. Auch dies soll die Beschleunigung der Asylverfahren bewirken. Darüber hinaus soll diese Regelung Untätigkeitsklagen verhindern, wodurch wiederum die Verwaltungsgerichte entlastet werden.
Chancen-Aufenthaltsrecht
Auch das sogenannte Chancen-Aufenthaltsrecht ist bereits eingeführt worden. Es ist geregelt in § 104c AufenthG. Primäres Ziel ist es, geduldeten Ausländern die Chance auf einen rechtmäßigen Aufenthalt einzuräumen und ihnen den Zugang zum Arbeitsmarkt zu ermöglichen.
Mit dem Chancen-Aufenthaltsrecht bekommen Sie eine 18-monatige Aufenthaltserlaubnis. Innerhalb dieses Zeitraums sollen dann die Voraussetzungen einer dauerhalten Aufenthaltserlaubnis erfüllt werden. Die Voraussetzungen für eine Aufenthaltsgewährung sind in den §§ 25a und 25b AufenthG festgehalten. Dazu gehören beispielsweise hinreichende mündliche Deutschkenntnisse auf A2 Niveau, die selbstständige Lebensunterhaltssicherung, ein Identitätsnachweis sowie das Bekenntnis zur freiheitlichen demokratischen Grundordnung der Bundesrepublik Deutschland.
Die Chancen-Aufenthaltserlaubnis erfasst alle Ausländer, die am Stichtag des 31.10.2022 seit mindestens 5 Jahren in Deutschland leben und mangels Aufenthaltserlaubnis ausweispflichtig sind, aber nicht abgeschoben werden können und deswegen als geduldet gelten. Ausgeschlossen sind hiervon Personen, die wegen Straftaten verurteilt wurden, sowie Personen, die ihre Abschiebung durch Identitätstäuschung oder vorsätzliche Falschangaben zu verhindern versucht haben.
Das Chancen-Aufenthaltsrecht bietet einer großen Zahl von Personen eine Perspektive. Ende 2021 betrug die Zahl der Geduldeten in Deutschland 242.029, von denen 136.605 sich auch bereits länger als fünf Jahre im Bundesgebiet aufhielten. Zu beachten ist, dass das Chancen-Aufenthaltsrecht eine einmalige Sonderregelung ist. Sollten die offenen Voraussetzungen also innerhalb der 18 Monate nicht erfüllt werden, fallen Betroffene zurück in den Geduldeten-Status.
Zu unterscheiden ist das Chancenaufenthaltsrecht von der Chancenkarte.
Chancenkarte
Die “Chancenkarte”, die am 23.06.2023 vom Bundestag beschlossen wurde, ist ein Aufenthaltstitel zur Suche nach einer Erwerbsqualifikation oder nach Maßnahmen zur Anerkennung ausländischer Berufsqualifikationen. Das bedeutet: Die Chancenkarte ermöglicht die Einreise bzw. den Aufenthalt in Deutschland zur Arbeitsplatzsuche. Die Chancenkarte hat dabei eine Gültigkeit von einem Jahr. Wenn die Jobsuche zwar zu einer qualifizierten Beschäftigung führt, aber nicht alle Voraussetzungen für einen Erwerbstitel erfüllt werden, kann die Chancenkarte mit Zustimmung der Bundesagentur für Arbeit auf bis zu zwei Jahre verlängert werden.
Die Chancenkarte bietet während der Jobsuche die Möglichkeit zur Probearbeit oder auch zur Beschäftigung im Umfang von maximal 20 Stunden in der Woche (Nebenbeschäftigung).
Hat der Karteninhaber innerhalb des Jahres einen festen Arbeitsplatz gefunden, kann er einen entsprechenden Aufenthaltstitel zum Arbeiten in Deutschland bekommen.
Es gibt zwei verschiedene Wege, die Chancenkarte zu erwerben:
- Man ist bereits Fachkraft im aufenthaltsrechtlichen Sinne.
- Man ist (noch) keine Fachkraft und muss für die Erteilung der Chancenkarte mindestens 6 Punkte nach dem Punktesystem vorweisen.
Je nachdem, ob man bereits Fachkraft ist oder nicht, unterscheiden sich sodann die Voraussetzungen, die erfüllt sein müssen, um die Chancenkarte zu erhalten. Zwingende Voraussetzung in beiden Fällen ist jedoch, dass der Lebensunterhalt gesichert ist. Der Lebensunterhalt gilt dann als gesichert, wenn er ohne Inanspruchnahme öffentlicher Mittel bestritten werden kann, § 2 Abs. 3 AufenthG.
In dem Punktesystem gibt es unterschiedlich viele Punkte zum Beispiel für
- einen (Teil-)Anerkennungsbescheid einer deutschen Anerkennungsstelle,
- Sprachkenntnisse in Deutsch und/oder Englisch,
- Berufserfahrung im Bereich der Berufsqualifikation oder des Hochschulabschlusses,
- Berufsqualifikation/Hochschulabschluss in einem Engpassberuf,
- Einhaltung bestimmter Altersgrenzen bei Beantragung der Chancenkarte,
- rechtmäßigen Voraufenthalt in Deutschland,
- Partner/in erfüllt die Voraussetzungen für eine Chancenkarte ebenfalls und beantragt diese auch.
Keines der vorgestellten Merkmale ist für sich genommen 6 Punkte wert. Die notwendigen 6 Punkte für die Chancenkarte zu erreichen ist also nur in Kombination verschiedener Merkmale möglich.
Familiennachzug
Im Zusammenhang mit der Chancenkarte wurden auch Vereinfachungen beim Familiennachzug beschlossen: Wenn Ehegattinnen oder Ehegatten oder minderjährige Kinder zu bestimmten Fachkräften nach Deutschland ziehen, wird nun auf den Nachweis ausreichenden Wohnraums verzichtet.
Zudem können solche Fachkräfte auch ihre Eltern und – wenn die Ehegattin oder der Ehegatte auch dauerhaft im Bundesgebiet ansässig sind – Schwiegereltern zu sich holen, wenn sie ihre Aufenthaltserlaubnis erstmals am oder nach dem 1. März 2024 erhalten haben.
Staatsangehörigkeitsrecht
Das neue Staatsangehörigkeitsrecht ist zum 27.06.2024 in Kraft getreten. Die wichtigsten Änderungen:
- Mehrstaatigkeit wird nun in Deutschland generell hingenommen. Das bedeutet, dass eine bestehende Staatsangehörigkeit nicht mehr aufgegeben werden muss, um die deutsche Staatsangehörigkeit erhalten zu können. Genauso muss die deutsche Staatsangehörigkeit bei Einbürgerung im Ausland nicht mehr aufgegeben werden, vorausgesetzt der andere Staat lässt Mehrstaatigkeit auch zu.
- Bei Erlangung der deutschen Staatsangehörigkeit durch Einbürgerung wurde die Mindestaufenthaltsdauer von 8 auf 5 Jahre gesenkt (in bestimmten Fällen auf 3 Jahre).
- Die Beibehaltungsgenehmigung, das Optionsverfahren und das Entlassungsverfahren sind entfallen.
Für weitreichendere Informationen zum modernisierten Staatsangehörigkeitsrecht beachten Sie bitte folgenden Beitrag sowie unsere Webseite.
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