Die Auslieferungspraxis zwischen der Bundesrepublik Deutschland und Südkorea beruht maßgeblich auf dem Gesetz zur Internationalen Rechtshilfe in Strafsachen (IRG) und dem Europäischen Auslieferungsübereinkommen (EuAlÜbk). Auch wenn die bilateralen Beziehungen zwischen den beiden Staaten seit Jahrzehnten eng und vertrauensvoll sind, kommt es vor, dass koreanische Auslieferungsersuchen seitens europäischer Gerichte aufgrund von Auslieferungshindernissen abgelehnt werden. Daher empfiehlt es sich grundsätzlich, jedes Auslieferungsersuchen einer genauen juristischen Prüfung zu unterziehen.
Um unseren Mandanten in einer solchen Situation die benötigte Unterstützung zu gewährleisten, bietet Schlun & Elseven einen gleichermaßen kompetenten wie engagierten Rechtsbeistand an. Unsere Anwälte für Auslieferungsrecht verfügen über das nötige Fachwissen und eine jahrelange Erfahrung im Umgang mit den Auslieferungsbehörden, um Sie in dieser schwierigen Zeit vertreten zu können. Wir kümmern uns um Mandanten, die von oder nach Deutschland ausgeliefert werden sollen – unabhängig davon, von welchem Land das Auslieferungsersuchen initiiert wurde. Wir setzen uns für Sie ein, damit Ihre Rechte und Interessen stets gewahrt bleiben.
Auslieferung eigener Staatsbürger
Deutschland liefert grundsätzliche keine eigenen Staatsbürger an Drittstaaten aus, es sei denn, die Person hat einer Auslieferung ausdrücklich zugestimmt. Dies ergibt sich aus Art. 16 II GG, der die Auslieferung von deutschen Staatsbürgern an Länder, die nicht Mitglied der Europäischen Union sind, nicht gestattet. Deutschland hat diesbezüglich im Europäischen Auslieferungsübereinkommen extra einen Vorbehalt zu Art. 6 EuAlÜbk formuliert. Der Art. 6 EuAlÜbk stellt es Staaten grundsätzlich frei, ob sie ihre eigenen Staatsbürger ausliefern oder in diesen Fällen die Auslieferung verweigern. Der von Deutschland verfasste Vorbehalt untersagt die Auslieferung deutscher Staatsbürger im Sinne des Art. 116 I GG noch einmal ausdrücklich unter Berufung auf Art. 16 II GG.
Nichtdeutsche Unionsbürger dürfen hingegen an Drittstaaten ausgeliefert werden. Laut EuGH werde dadurch weder gegen das allgemeine Diskriminierungsverbot innerhalb der EU (Art. 18 AEUV) noch gegen die Personenfreizügigkeit innerhalb der Union (Art. 21 AEUV) verstoßen. Allerdings steht dem Mitgliedsstaat, dessen Staatsangehöriger die betroffene Person ist, ein vorrangiges Recht auf Überstellung zu, weswegen dieser im Vorhinein der Auslieferung zu informieren ist.
Kooperation zwischen Südkorea und der Bundesrepublik Deutschland
In Deutschland lebt eine der größten koreanischen Diaspora weltweit und Südkorea ist drittwichtigster Handelspartner für die Bundesrepublik in Asien. Durch diesen regen Austausch zwischen den beiden Ländern hat auch die strafrechtliche Kooperation eine entsprechende Bedeutung, wobei in Bezug auf Korea ein besonderes Augenmerk auf Kriminalität im Darknet und damit zusammenhängenden Sexualstraftaten liegt.
Gesetzliche Grundlagen des Auslieferungsverkehrs
Die Vorschriften zur Auslieferung finden sich in Deutschland im Gesetz zur Internationalen Rechtshilfe in Strafsachen (IRG). Dort ist in § 1 Abs. 3 IRG festgelegt, dass bilaterale und multilaterale Abkommen mit anderen Staaten oder internationalen Organisationen dem IRG vorgehen, soweit sie anwendbares nationales Recht geworden sind. Auch der Auslieferungsverkehr mit Südkorea wird durch ein solches geregelt – durch das Europäische Auslieferungsübereinkommen (EuAlÜbk). Dabei handelt es sich um einen multilateralen Vertrag des Europarats, der allerdings auch Nicht-Mitgliedern des Europarats zum Beitritt offensteht. Seit dem Beitritt Südkoreas im Jahr 2011 wird der Auslieferungsverkehr mit Deutschland maßgeblich durch das Abkommen bestimmt.
Inhaltliche Bestimmungen des Europäischen Auslieferungsübereinkommens
Die wesentlichste Bestimmung des Abkommens ist der Art. 1 EuAlÜbk, der die gegenseitige Verpflichtung zur Auslieferung festschreibt. Dort heißt es:
Die Vertragsparteien verpflichten sich, […] einander die Personen auszuliefern, die von den Justizbehörden des ersuchenden Staates wegen einer strafbaren Handlung verfolgt oder zur Vollstreckung einer Strafe oder einer Maßregel der Sicherung und Besserung gesucht werden. (Art. 1 EuAlÜbk)
Im Weiteren wird festgelegt, welche strafbaren Handlungen nach den Vorschriften des EuAlÜbk auslieferungsfähig sein sollen und in welchen Fällen das Abkommen nicht anwendbar ist. Auslieferungsfähig sind gem. Art. 2 Abs. 1 EuAlÜbk alle Straftaten, die nach dem Recht beider Staaten mit einer Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr im Höchstmaß belegt sein muss. In Bezug auf Südkorea ist dabei zu beachten, dass die meisten Straftatbestände die Möglichkeit einer Freiheitsstrafe von (mindestens) einem Jahr umfassen. Allerdings gilt das Erfordernis der beiderseitigen Strafbarkeit, woraus folgt, dass die strafbare Handlung auch nach deutschem Recht auslieferungsfähig sein muss.
Nichtbewilligt wird die Auslieferung nach den Bestimmungen des EuAlÜbk im Fall einer Strafbarkeit aufgrund von politischen strafbaren Handlungen (Art. 3 Abs. 1 EuAlÜbk) oder wenn anzunehmen ist, dass das Auslieferungsersuchen durch religiöse, ethnische oder auf ähnlichen Gründen beruhender Verfolgung motiviert ist (Art. 3 Abs. 2 EuAlÜbk). Auch auf militärisch strafbare Handlungen ist das Abkommen gemäß Art. 4 EuAlÜbk nicht anwendbar. Zudem findet es auf fiskalische strafbare Handlungen gemäß Art. 5 EuAlÜbk nur Anwendung, wenn die Vertragsparteien dies ausdrücklich untereinander bestimmt haben, was auf Deutschland und Südkorea allerdings nicht zutrifft.
Das Auslieferungsverfahren
Viele Staaten nutzen die Datenbanken Interpols, um sogenannte „Red Notices“ (oft auch als „Internationaler Haftbefehl“ bezeichnet) zu erlassen. Staaten können für gesuchte Personen aufgrund dieser Notices vorläufige Haft anordnen; dies ist dem nationalen Rechtssystem überlassen und ist auch in Deutschland gängige Praxis.
Gemäß Art. 16 Abs. 3 EuAlÜbk können Staaten einander auch im Rahmen des Europäischen Auslieferungsübereinkommen über Interpol um die vorläufige Inhaftierung einer Person ersuchen. Südkorea hat zu Art. 16 Abs. 3 EuAlÜbk allerdings einen Vorbehalt formuliert und erklärt, dass ein Ersuchen um vorläufige Inhaftierung seitens Koreas nur über diplomatische Kanäle oder direkt über die jeweiligen Justizministerien übermittelt wird, nicht jedoch über Interpol. In der Praxis stammen Auslieferungsersuchen aus Südkorea tatsächlich meist vom koreanischen Justizminister, der diese häufig auf Anfrage des Generalstaatsanwalts erlässt.
War die betroffene Person im ausliefernden Staat bereits in Haft, kennt das koreanische Strafgesetzbuch die Möglichkeit, diese auf die in Korea verhängte Strafe anzurechnen. Dabei muss allerdings entschieden werden zwischen der Haft, die als Strafe dient und derer, die zwar im Vorfeld der Auslieferung verhängt wird, nicht jedoch der Bestrafung einer Person dienen soll. Nur erstere ist auf die verhängte Haftstrafe anrechenbar, die Entscheidung darüber obliegt dem koreanischen Gericht.
Grundsatz der Rechtsstaatlichkeit und Hindernisse bei Auslieferungen nach Südkorea
Für jegliches staatliche Handeln gilt in Deutschland gemäß Art. 20 Abs. 3 GG das Rechtsstaatsprinzip. Dieser Grundsatz muss folglich auch bei der Bewilligung einer Auslieferung gelten. Zwar basiert die Auslieferung grundsätzlich auf der gegenseitigen Anerkennung von Gerichtsentscheidungen, besteht jedoch der Verdacht, dass die Rechtsstaatlichkeit in einem Land, von dem die Bundesrepublik um Auslieferung einer Person ersucht wird, nicht gewahrt ist, dürfen deutsche Gerichte die Auslieferung nicht bewilligen.
Gemäß Art. 11 EuAlÜbk kann die Auslieferung abgelehnt werden, wenn eine Tat im ersuchenden Staat mit der Todesstrafe bedroht ist. Diese Möglichkeit besteht indes nicht, wenn der entsprechende Staat ausreichend zusichert, dass er die Todesstrafe nicht vollstrecken wird. Die Todesstrafe existiert in Südkorea noch heute. Allerdings wurde diese seit ca. 30 Jahren nicht mehr vollstreckt, wenn auch verhängt. Zudem hat Südkorea einen Vorbehalt zu Art. 11 EuAlÜbk formuliert, in dem zugesichert wird, dass die Todesstrafe im Falle einer Auslieferung nach Südkorea unter Anwendung des EuAlÜbk nicht vollstreckt wird, selbst wenn ein koreanisches Gericht sie verhängen sollte. Dementsprechend kann Art. 11 EuAlÜbk einer Auslieferung in die Republik Korea nicht entgegenstehen.
Darüber hinaus ist allerdings zu beachten, dass Südkorea trotz eines vergleichbar gut funktionierenden Justizsystems Defizite in der Rechtsstaatlichkeit aufweist. Eine hohe Inhaftierungsrate von 103 auf 100.000 Personen (zum Vergleich: in Deutschland sind es 67 auf 100.000 Personen) und entsprechend überbelegte Gefängnisse stellen ein großes Problem dar. Zudem berichtet beispielsweise Amnesty International von systematischem Sexismus im Justizsystem.
Daher ist auch in Bezug auf Südkorea die Betrachtung des Einzelfalls von großer Bedeutung. So wurde beispielsweise im Oktober 2022 ein Auslieferungsersuchen Südkoreas von einem britischen Gericht abgelehnt. Laut Gericht sei das Verfahren politisch motiviert gewesen. Darüber hinaus würde eine Auslieferung Menschenrechte verletzten, insbesondere das Folterverbot aus Art. 3 EMRK. Den größten Verstoß gegen Art. 3 EMRK würden dabei die chronisch überbelegten Gefängnisse darstellen. Die Republik Korea legte keine Berufung gegen das Urteil ein.
Dieser Fall zeigt, dass ein Auslieferungsersuchen aus Südkorea unter Berufung auf Menschenrechte und das Rechtsstaatsprinzip durchaus abzuwenden ist. Auch wenn die Entscheidung von einem britischen Gericht stammte, ist der gesetzliche Maßstab, die EMRK, der gleiche. Daher ist eine die richtige juristische Verteidigung durch ein spezialisiertes, erfahrenes Team in solchen Fällen von entscheidender Bedeutung.
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