Eine drohende Auslieferung an einen Drittstaat kann mehr als die Freiheitsentziehung an sich bedeuten. In manchen Fällen müssen sie auch um ihre körperliche Unversehrtheit, gar um ihr Leben selbst fürchten. Daher stellt ein Auslieferungsersuchen für die Betroffenen in der Regel eine enorme emotionale Belastung und eine rechtliche Herausforderung dar, der sie sich nach Möglichkeit nicht ohne erfahrene anwaltliche Unterstützung stellen sollten.
Schlun & Elseven ist eine international tätige Kanzlei, spezialisiert u. a. auf die Vertretung von Mandanten im Auslieferungsverfahren. Unsere Anwälte für Auslieferungsrecht verfügen über das nötige Fachwissen und langjährige Erfahrung im Umgang mit Interpol und den Auslieferungsbehörden, um Sie gleichermaßen kompetent wie engagiert in dieser schwierigen Zeit vertreten zu können. Wir kümmern uns nicht nur um Mandanten, die von oder nach Deutschland ausgeliefert werden sollen. Wir setzen all unsere Fachkompetenz und Erfahrung ein, um die Löschung von Interpol Red Notices zu erwirken – unabhängig davon, von welchem Land diese initiiert wurden.
Obwohl Brasilien und Deutschland in vielen Bereichen eng zusammenarbeiten und viele deutsche Einwanderer in Brasilien leben, besteht bis heute kein Abkommen hinsichtlich Auslieferungen zwischen den beiden Staaten.
Nach den allgemeinen Vorschriften können Auslieferungen allerdings auch vertragslos erfolgen. Die Voraussetzungen dafür richten sich in Deutschland nach dem IRG, dem Gesetz über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen.
Die Auslieferungsstatistik des Bundesministeriums der Justiz (BMJ) zeigt, dass Auslieferungen zwischen Brasilien und Deutschland relativ selten vorkommen. Zuletzt wurde 2019 in 2 Fällen die Einlieferung nach Deutschland bewilligt. Auslieferungen nach Brasilien kamen nun schon einige Jahre nicht mehr vor. Zwar ersuchte Brasilien in den Jahren 2014 bis 2017 in einigen Fällen um Auslieferung, diese wurden jedoch stets abgelehnt. Die letzte Auslieferung fand 2013 nach gerichtlicher Bewilligung statt.
Der Blick in die Vergangenheit stellt jedoch keinesfalls eine Garantie für künftige Fälle da. Es ist immer im Einzelfall zu prüfen, ob Auslieferungshindernisse gegeben sind. Dabei sind sowohl die individuellen Umstände des Betroffenen als auch rechtliche und soziale Entwicklungen im ersuchenden Staat zu beachten.
Auslieferung deutscher Staatsangehöriger an Brasilien
Wie viele andere Staaten hat Deutschland gesetzlich vorgeschrieben, dass eigene Staatsangehörige grundsätzlich nicht ausgeliefert werden dürfen. Ausnahmsweise dürfen Deutsche an EU-Mitgliedstaaten oder internationale Gerichtshöfe ausgeliefert werden, vgl. Art. 16 II GG. Brasilien ist kein EU-Mitgliedsstaat, sodass Deutsche aus Deutschland nicht dorthin ausgeliefert werden.
Auslieferung nichtdeutscher EU-Bürger an Brasilien
Laut EuGH liegt kein Verstoß gegen Unionsrecht vor, wenn nur die eigenen Staatsangehörigen, nicht jedoch alle EU-Bürger, vor Auslieferungen an Drittstaaten geschützt werden. Somit ist es grundsätzlich möglich, nichtdeutsche EU-Bürger auch an Drittstaaten wie Brasilien auszuliefern.
Auslieferungsvoraussetzungen nach dem IRG
Das IRG regelt die Auslieferungsvoraussetzungen zu jedem Staat, mit dem kein vorrangiges Abkommen besteht. Gemäß § 2 III IRG kann grundsätzlich jeder Nichtdeutsche ausgeliefert werden, der im Ausland eine Straftat begangen hat. Die vorgenommene Handlung muss dabei auch in Deutschland unter Strafe stehen, vgl. § 3 IRG.
Sind politische oder persönliche Gründe für das Auslieferungsersuchen ersichtlich oder soll eine militärische Pflichtverletzung geahndet werden, so ist eine Auslieferung abzulehnen, vgl. §§ 6, 7 IRG.
Gemäß § 8 IRG besteht ein Auslieferungshindernis, wenn dem Betroffenen im ersuchenden Staat die Todesstrafe droht. Um eine Auslieferung dennoch zu erreichen, kann eine bindende Zusicherung erteilt werden, die Todesstrafe zumindest nicht zu vollziehen.
In Deutschland ist die Abschaffung der Todesstrafe im Grundgesetz festgesetzt, vgl. Art. 102 GG. Auch in Brasilien ist grundsätzlich keine Todesstrafe mehr vorgesehen. Nur in Kriegsfällen darf die Todesstrafe verhängt werden.
Dementsprechend kommt ein Auslieferungshindernis nach § 8 IRG zwischen Brasilien und Deutschland regelmäßig nicht zum Tragen.
Nach Überstellung darf der Betroffene gemäß des Spezialitätsprinzips in § 11 IRG nur wegen der im Ersuchen genannten Taten bestraft werden. Für eine etwaige Weiterlieferung, Überstellung oder Abschiebung an einen dritten Staat muss der ersuchende Staat die Zustimmung des ersuchten Staates einholen.
Mögliche Probleme einer Auslieferung an Brasilien
Neben den Voraussetzungen des IRG werden im Rahmen eines Auslieferungsersuchen auch allgemeine Vorgaben bezüglich der Menschenrechtssituation im ersuchenden Staat beleuchtet.
Laut Art. 3 EMRK darf niemand der Folter oder anderen unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlungen unterworfen werden. Drohen dem Betroffenen solche Misshandlungen, darf er nicht ausgeliefert werden.
Von Folter während der Inhaftierung gibt es in Bezug auf Brasilien zwar keine Berichte. Gewalt bei Polizeieinsätzen wird jedoch immer wieder publik gemacht.
Auch schlechte Haftbedingungen können ein Auslieferungshindernis im Sinne des Art. 3 EMRK darstellen.
Die Haftbedingungen Brasiliens stehen seit geraumer Zeit massiv in Kritik. Das größte Problem stellen die Bandenaktivitäten in den Gefängnissen dar.
Die Banden betreiben dabei nicht nur Drogenhandel, sondern organisieren auch Aufstände und Misshandlungen oder Tötungen anderer Insassen oder des Wachpersonals. Die extreme Überbelegung in den Gefängnissen, die für sich genommen schon äußerst problematisch ist, begünstigt dabei die Bandenaktivitäten. Das Wachpersonal ist schon zahlenmäßig nicht in der Lage, den Ablauf in den Gefängnissen ordnungsgemäß zu handhaben.
Gemäß Art. 6 EMRK hat jede Person ein Recht auf ein faires Verfahren. Somit können auch Verstöße gegen das Rechtsstaatsprinzip einer Auslieferung im Wege stehen. Im Hinblick auf Brasiliens Rechtsstaatlichkeit ist zwar auf die Korruptionsvorwürfe gegen die (bisherige) Regierung hinzuweisen, grundsätzlich stellt Brasilien aber eine demokratische Präsidialrepublik dar, die ebenso wie Deutschland über eine Gewaltenteilung verfügt und ein Recht auf ein faires Verfahren gewährt.
In diesem Zusammenhang ist auch auf den Regierungswechsel in Brasilien hinzuweisen. Zum 1.1.2023 trat ein neuer Staatspräsident an die Spitze der Regierung. Von verschiedensten Seiten werden hohe Erwartungen an diesen Regierungswechsel gestellt. Human Rights Watch spricht davon, die Schäden zu beheben, die der bisherige Staatspräsident angerichtet hatte. Es besteht die vage Hoffnung, dass sich in näherer Zukunft die schlechten Haftbedingungen in den Gefängnissen und die Standards in Bezug auf die Einhaltung der Menschenrechte ändern.
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