Von einem Auslieferungsersuchen betroffen zu sein, stellt in der Regel eine enorme emotionale Belastung, ebenso wie eine juristische Herausforderung, dar. Eine Auslieferung gilt nach deutschem Recht als unzulässig, wenn im Zielstaat die begründete Gefahr von erniedrigender Behandlung oder Bestrafung besteht. Hält das zuständige Oberlandesgericht (OLG) nach eingehender Prüfung die Auslieferung für rechtmäßig, kann immer noch eine Verfassungsbeschwerde Schutz gewähren. Um die Übergabe des Beschwerdeführers an die Behörden des ersuchenden Staates vorläufig zu verhindern, sollte die Verfassungsbeschwerde immer mit einem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung nach § 32 BVerfGG verbunden werden. Wird kein Eilantrag gestellt, so besteht die Gefahr, dass der Beschwerdeführer an den ersuchenden Staat überstellt wird, bevor das Bundesverfassungsgericht über seine Verfassungsbeschwerde entscheidet.
Um unseren Mandanten in einer solchen Situation die benötigte Unterstützung zu gewährleisten, bietet Schlun & Elseven einen gleichermaßen kompetenten wie engagierten Rechtsbeistand an. Unsere Anwälte für Auslieferungsrecht verfügen über das nötige Fachwissen und eine jahrelange Erfahrung im Umgang mit den Auslieferungsbehörden, um Sie in dieser schwierigen Zeit gezielt vertreten zu können. In enger Zusammenarbeit mit renommierten Anwälten für Verfassungsrecht erarbeiten wir eine Verfassungsbeschwerde, während Sie durch eine einstweilige Anordnung geschützt bleiben. Der Rechtsweg bei einem Auslieferungsverfahren schließt allerdings noch die Möglichkeit einer Klage vor dem Europäischen Gerichtshof in Luxemburg und dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) in Straßburg ein. Ganz gleich, wie lange wir für Ihre Verteidigung brauchen – wir setzen uns für Sie ein, damit Ihre Rechte und Interessen gewahrt bleiben.
Auslieferung deutscher Staatsangehöriger an Russland
Nach Artikel 16 des deutschen Grundgesetzes (GG) ist die Auslieferung deutscher Staatsangehöriger nur an andere EU-Länder und bestimmte internationale Gerichtshöfe möglich, „soweit rechtsstaatliche Grundsätze gewahrt sind”. Diese Erlaubnis zur Auslieferung an EU-Mitgliedsstaaten ist eine neuere Entwicklung, die sich jedoch nicht auf andere Länder (“Drittstaaten”), einschließlich Russland, erstreckt. In Fällen, in denen gegen deutsche Staatsangehörige ein russisches Auslieferungsersuchen gestellt wird, übernimmt der deutsche Staat die Strafverfolgung selbst. Jeder Interpol-Mitgliedsstaat kann zudem Interpol-Ausschreibungen gegen eine gesuchte Person, also auch gegen deutsche Staatsangehörige, erwirken, was insbesondere deren Reisefreiheit erheblich beeinträchtigt. Wenn ein Staat eine solche Interpol-Eintragung erwirkt hat, ist es wichtig, diese anzufechten und ihre Aufhebung zu erreichen.
Auslieferung nichtdeutscher EU-Bürger an Russland
Staatsangehörige anderer EU-Länder genießen einen gewissen Schutz vor einer Auslieferung, allerdings nicht im gleichen Maße wie deutsche Staatsangehörige. Für Deutschland ist es schwierig, Unionsbürger an Drittstaaten wie Russland auszuliefern, jedoch nicht unmöglich, wie das Urteil des Europäischen Gerichtshofs im Fall Petruhhin (Rs. C-182/15, in NJW 2017, 378) zeigt. Unser Artikel über die Auslieferung anderer EU-Bürger aus Deutschland an Nicht-EU-Mitgliedstaaten geht näher auf diesen Fall ein, stellt jedoch im Wesentlichen fest, dass ein EU-Mitgliedstaat nicht verpflichtet ist, alle anderen EU-Bürger, die sich in seinem Hoheitsgebiet aufhalten, vor einer Auslieferung zu bewahren. Wenn Russland oder ein anderer Drittstaat um die Auslieferung eines Bürgers aus einem anderen EU-Mitgliedsstaat ersucht, muss Deutschland den anderen EU-Staat über dieses Ersuchen informieren. Sobald Deutschland Kontakt aufgenommen hat, kann der andere Mitgliedsstaat entscheiden, ob die betroffene Person an ihn ausgeliefert werden soll oder er dem russischen Ersuchen stattgibt und Deutschland seinen Staatsbürger an Russland überstellen darf. Dem anderen EU-Mitgliedsstaat wird also ein Vorrecht bezüglich der Auslieferung eingeräumt, gleichwohl müsste dieser Staat dem eigenen Staatsbürger im Falle einer Auslieferung in das eigene Hoheitsgebiet nachfolgend auch den Prozess machen.
Dieser Schutz gilt auch für Bürger aus Ländern der Europäischen Freihandelsassoziation (EFTA) und aus Ländern des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum (EWR). Zu diesen Staaten zählen Island, Liechtenstein, Norwegen und die Schweiz.
Auslieferungsvoraussetzungen nach dem IRG
Das deutsche Auslieferungsrecht bietet den durch Auslieferungsersuchen betroffenen Personen einige rechtliche Möglichkeiten, dieses anzufechten. In Fällen, in denen ein ausländischer Staat, z. B. Russland, ein Auslieferungsersuchen an Deutschland stellt und die deutschen Behörden die betreffende Person in Haft nehmen, kann die Person ihre Zustimmung zur vereinfachten Auslieferung nach § 41 IRG erteilen oder die Entscheidung anfechten. Wenn sie nicht zustimmt, muss die Staatsanwaltschaft beim Oberlandesgericht eine Entscheidung über die Zulässigkeit der Auslieferung nach § 29 IRG beantragen. Bei dieser Entscheidung hat das Gericht zu prüfen, ob das Auslieferungsersuchen bzw. die Durchführung der Auslieferung rechtmäßig ist.
Bei dieser Prüfung der Rechtmäßigkeit hat das Gericht unter anderem auf die folgenden Fragen einzugehen:
- Handelt es sich bei der vorgeworfenen Tat um eine nach deutschem Recht auslieferungsfähige Straftat? (§ 3 IRG)
- Drohen der Person im ersuchenden Staat Folter oder eine erniedrigende Behandlung oder Bestrafung? (Art. 3 EMRK; Art. 3 CAT)
- Besteht die Möglichkeit, dass für die Straftat die Todesstrafe verhängt wird? Falls ja: gibt es eine Gewähr dafür, dass die Todesstrafe entweder nicht verhängt oder jedenfalls nicht vollstreckt wird? (§ 8 IRG)
- Besteht die Gefahr, dass der Beschuldigte ohne deutsche Zustimmung an einen dritten Staat weitergeliefert oder abgeschoben werden wird? (§ 11 Abs. 1 Nr. 2 IRG)
- Ist die Straftat ausschließlich politisch motiviert? (§ 6 IRG)
- Kann der Beschuldigte realistischerweise ein faires Verfahren erwarten? (Art. 6 EMRK)
Sollte das Auslieferungsersuchen oder gar die gerichtliche Zulässigkeitsentscheidung Zweifel an der Gewährleistung und Einhaltung der genannten Voraussetzungen begründen, wird unser Anwaltsteam die entsprechenden rechtlichen Schritte einleiten und alle Möglichkeiten ausschöpfen, um eine unrechtmäßige Auslieferung zu verhindern. In Fällen, in denen in Wahrheit politische oder militärische Gründe hinter einem Auslieferungsersuchen stehen, sind diese meistens nicht offensichtlich. Oft kann eine gründliche Recherche und Untersuchung neue Beweise hervorbringen, die diese Motivationen jedoch belegen können. Eine umfangreiche und fachmännische Analyse der individuellen Umstände und der vorliegenden Anhaltspunkte, die unsere Anwälte stets durchführen, kann eine derartige Motivation enttarnen und folglich eine unzulässige Auslieferung verhindern. Sollte das Auslieferungsersuchen oder die gerichtliche Entscheidung gegen deutsches Recht verstoßen, wird unser Team diesen Fall unnachgiebig verfolgen.
Mögliche Probleme einer Auslieferung an Russland
Die Haftbedingungen in Russland sind vielfach kritisiert worden. Ebenso wurde bereits häufig der Vorwurf der politischen Motivation hinter Auslieferungsersuchen erhoben. Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hat bei mehreren Gelegenheiten die übermäßig lange Untersuchungshaft und die Haftbedingungen in Russland scharf kritisiert. Die Gefängnisse sind oftmals chronisch überfüllt und verfügen über keine zufriedenstellenden sanitären Anlagen. Aus der Europäischen Menschenrechtskonvention und der Rechtsprechung zu den europäischen Menschenrechten geht hervor, dass ein Land, das eine beschuldigte Person ausliefern möchte, zunächst die Risiken drohender Rechtsverletzungen abschätzen muss, denen die Person im Falle der Auslieferung ausgesetzt sein könnte. Nach deutschem Recht ist deshalb eine Auslieferung unzulässig (rechtswidrig), wenn im Zielstaat die begründete Gefahr von Folter oder erniedrigender Behandlung oder Bestrafung besteht (Art. 1 GG, Art. 3 EMRK). Letzteres kann insbesondere dann der Fall sein, wenn dort menschenunwürdige Haftbedingungen herrschen. Unsere Anwälte untersuchen daher immer äußerst gründlich die Situation unserer Mandanten und die konkret vorliegenden Anhaltspunkte für etwaige Verstöße.
Wie zuvor bereits angemerkt, ist es nicht immer offensichtlich, dass ein Fall ein Element politischer Verfolgung enthält. Unsere Anwälte sind jedoch erfahren darin, Beweise für politische oder andere unzulässige Motivationen, die hinter einem Auslieferungsersuchen stehen, aufzudecken, wie auch dieser Fall zeigt: “Aufhebung einer Interpol Red Notice: Erfolgreicher russischer Fall”. Denn ein Rechtsstaat darf niemals eine Strafverfolgung auf politische, religiöse oder militärische Gründe stützen. Sind diese jedoch die wahre Grundlage einer angestrebten Auslieferung zur Strafverfolgung oder Strafvollstreckung, ist sie unzulässig und muss vom ersuchten Staat abgelehnt werden.
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