Die Annäherung und Zusammenarbeit zwischen Georgien und den EU-Mitgliedsstaaten schreitet weiter voran, im März 2022 reichte Georgien seinen Antrag auf EU-Mitgliedschaft ein und ist seitdem ein potenzieller Beitrittskandidat. In diesem Zusammenhang wird auch die internationale Zusammenarbeit in Strafsachen immer bedeutender. Der Bereich der Auslieferung wird dabei bisher durch die Vorschriften des Europäischen Auslieferungsübereinkommens des Europarats bestimmt. Ein bilateraler Auslieferungsvertrag zwischen Georgien und Deutschland besteht nicht.
Auslieferung deutscher Staatsbürger
Grundsätzlich liefert Deutschland keine eigenen Staatsbürger aus, es sei denn die Person hat einer Auslieferung ausdrücklich zugestimmt. Geregelt ist dies durch Art. 16 II GG, der bestimmt, dass deutsche Staatsbürger nicht an Länder, die nicht der Europäischen Union angehören, ausgeliefert werden dürfen. Nichtdeutsche Unionsbürger dürfen dennoch an Drittstaaten ausgeliefert werden. Diese Praxis verstoße laut EuGH weder gegen das allgemeine Diskriminierungsverbot aus Art. 18 AEUV noch gegen die Personenfreizügigkeit innerhalb der EU gemäß Art. 21 AEUV. Dabei steht dem Mitgliedstaat, dem der betroffene Bürger angehört, allerdings ein vorrangiges Recht auf Überstellung zu, weshalb jener im Vorfeld der Auslieferung zu informieren ist.
Gesetzliche Grundlagen
In Deutschland sind die gesetzlichen Grundlagen zu Auslieferungen im Gesetz zur Internationalen Rechtshilfe in Strafsachen (IRG) geregelt. Dort ist in § 1 Abs 3 IRG festgelegt, dass völkerrechtliche Regelungen den Vorschriften des IRGs vorgehen, soweit sie anwendbares innerstaatliches Recht geworden sind. Daher wird der Auslieferungsverkehr weitestgehend durch multilaterale und bilaterale Verträge zwischen Deutschland und anderen Staaten oder internationalen Organisationen bestimmt. Dies gilt auch für den Auslieferungsverkehr zwischen Deutschland und Georgien. Beide Staaten sind Mitglieder des Europarats und haben das Europäische Auslieferungsübereinkommen (EuAlÜbk) mitsamt des ersten und zweiten Zusatzprotokolls unterzeichnet.
Inhaltliche Bestimmungen des Europäischen Auslieferungsübereinkommens
In Art. 1 EuAlÜbk verpflichtet das völkerrechtliche Abkommen die Vertragsstaaten gegenseitig zur Auslieferung gesuchter Personen:
Die Vertragsparteien verpflichten sich, […] einander die Personen auszuliefern, die von den Justizbehörden des ersuchenden Staates wegen einer strafbaren Handlung verfolgt oder zur Vollstreckung einer Strafe oder einer Maßregel der Sicherung und Besserung gesucht werden. (Art. 1 EuAlÜbk)
Georgien hat zu dieser Vorschrift einen Vorbehalt formuliert und darin unter anderem festgelegt, dass die georgischen Behörden einer Auslieferung nicht zustimmen, wenn diese den Zustand der betroffenen Person negativ beeinflussen sollte.
Im Weiteren legt das Abkommen die genauen rechtlichen Bedingungen fest, unter denen die Verpflichtung aus Art. 1 EuAlÜbk greift, und in welchen Fällen Ausnahmen von der Verpflichtung gemacht werden dürfen. So legt Art. 2 (1) EuAlÜbk fest, dass auslieferungsfähige strafbare Handlungen nur solche Handlungen sind, die nach dem Recht beider Staaten mit einer Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr im Höchstmaß betragen muss. Ist bereits eine Strafe verhängt worden, legt Art. 2 (1) EuAlÜbk fest, dass diese mindestens vier Monate betragen muss.
Darüber hinaus bestimmt das Abkommen, dass eine Auslieferung im Falle einer politisch strafbaren Handlung nicht aufgrund des EuAlÜbk bewilligt wird (Art. 3 (1) EuAlÜbk), Verpflichtungen aus anderen multilateralen oder bilateralen Abkommen von dieser Bestimmung jedoch unberührt bleiben. Auch auf militärisch strafbare Handlungen ist das Übereinkommen nicht anwendbar, was bedeutet, dass die Verpflichtung zur Auslieferung aus Art. 1 EuAlÜbk in diesen Fällen nicht greift (Art. 4 EuAlÜbk). Einen weiteren Sonderfall stellen fiskalisch strafbare Handlungen dar, also Abgaben-, Devisen-, Zoll- oder Steuerstraftaten. In diesen Fällen wird eine Auslieferung nur dann bewilligt, wenn dies von den betroffenen Vertragsparteien explizit vereinbart wurde (Art. 5 EuAlÜbk).
Grundsatz der Rechtsstaatlichkeit und Auslieferungshindernisse
Neben den Bestimmungen des Europäischen Auslieferungsübereinkommens, die betroffenen Staaten von der Verpflichtung zur Auslieferung befreien können, müssen deutsche Behörden bei jeglichem staatlichen Handeln stets das Rechtsstaatsprinzip beachten. Dies bedeutet in Bezug auf Auslieferungen, dass diese nur bewilligt werden dürfen, wenn davon ausgegangen werden kann, dass auch der ersuchende Staat das Prinzip der Rechtsstaatlichkeit im konkreten Fall achtet. Deutsche Behörden dürfen Auslieferungen daher insbesondere dann nicht bewilligen, wenn es konkrete Anhaltspunkte dafür gibt, dass die betroffene Person im ersuchenden Staat nach der erfolgten Auslieferung kein faires rechtsstaatliches Verfahren erwarten kann bzw. der/die Betroffene mit menschenunwürdigen Haftbedingungen oder Folter rechnen muss. Dies kann in Bezug auf Auslieferungen nach Georgien durchaus ein Problem darstellen, da es immer wieder Berichte über den desolaten Zustand der Gefängnisse, Folter, Überbelegung und inoffizielle, strukturelle Hierarchien unter den Insassen gibt. Unter anderem das Anti-Folter-Komitee des Europarats beobachtete bei Besuchen der georgischen Haftanstalten regelmäßig Verstöße gegen Art. 7 des Europäischen Übereinkommens zur Verhütung von Folter und unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Strafe. Der letzte Ad-hoc-Besuch des Komitees zur Überwachung der diesbezüglichen Fortschritte fand im März 2023 statt. Zudem gilt auch ein faires Gerichtsverfahren nach rechtsstaatlichen Standards nicht als garantiert. So wird unter anderem im Amnesty International Länderreport 2022/2023 über den wachsenden politischen Einfluss auf die Rechtsprechung sowie über selektive und politisch motivierte Strafverfolgung von politischen Gegnern und kritischen Medien berichtet.
Droht einer Person die Auslieferung nach Georgien, besteht also die Möglichkeit, diese zu verhindern, wenn aufgezeigt werden kann, dass auch in dem konkreten Fall entsprechende Grundsätze der Rechtsstaatlichkeit durch eine Auslieferung bedroht wären. Erforderlich hierfür sind präzise juristische Arbeit und die genaue Untersuchung aller Umstände des jeweiligen Falls. Sollten Sie mit einem Auslieferungsersuchen aus Georgien konfrontiert sein oder ein solches erwarten, zögern Sie nicht, uns direkt zu kontaktieren, damit wir die entsprechenden Rechtsmittel zur Abwehr dieser Maßnahme ergreifen können.
Praxisgruppe für Auslieferungsrecht & Interpol
Kontaktieren Sie unsere Anwälte für Auslieferungsrecht
Bitte nutzen Sie das Kontaktformular, um uns Ihr Anliegen zu schildern. Nach Eingang Ihrer Anfrage werden unsere Anwälte auf der Grundlage der von Ihnen gemachten Angaben eine kurze Ersteinschätzung vornehmen und Ihnen ein Angebot unterbreiten. Sie können dann frei entscheiden, ob Sie uns beauftragen wollen.