Von einem Auslieferungsverfahren betroffen zu sein, stellt in der Regel eine enorme emotionale Belastung ebenso wie eine juristische Herausforderung dar. Um eine solch schwerwiegende Maßnahme abzuwehren, stehen dem Betroffenen grundsätzlich entsprechende Rechtsmittel zur Verfügung, die allerdings einen erfahrenen Rechtsbeistand erfordern.
Um unseren Mandanten in einer solchen Situation die benötigte Unterstützung zu gewährleisten, bietet Schlun & Elseven einen gleichermaßen kompetenten wie engagierten Rechtsbeistand an. Unsere Anwälte für Auslieferungsrecht verfügen über das nötige Fachwissen und eine jahrelange Erfahrung im Umgang mit den Auslieferungsbehörden, um Sie in dieser schwierigen Zeit gezielt vertreten zu können. Wir zeigen unseren Mandaten ihre rechtlichen Handlungsmöglichkeiten auf und unterstützen sie bei der Umsetzung dieser. Die Rechtsanwälte von Schlun & Elseven setzen sich für Sie ein, um Ihre Interessen und Rechte zu wahren.
Auslieferung eigener Staatsbürger
Bei einem Europäischen Haftbefehl können die Mitgliedsstaaten auch die Auslieferung eigener Staatsbürger nicht mehr ablehnen, es sei denn sie übernehmen die Vollstreckung der Freiheitsstrafe gegen die gesuchte Person selbst.
Unter dem Europäische Auslieferungsübereinkommen (EuAlÜbk) haben jedoch sowohl Polen als auch Deutschland von dem unter Art. 6 EuAlÜbk eingeräumten Recht Gebrauch gemacht, die Auslieferung eigener Staatsbürger abzulehnen. Dazu haben beide Staaten bei Beitritt zum Übereinkommen eine entsprechende Erklärung ergänzend zu Art. 6 abgegeben. Da zwischen Deutschland und Polen inzwischen allerdings die Regelungen zum EuHb gelten, sind nun beide Staaten verpflichtet, auch eigene Staatsbürger aneinander auszuliefern.
Zusammenarbeit in der internationalen Rechtshilfe in Strafsachen mit Polen
Polen, das zu Mitteleuropa gehört, grenzt an sechs verschiedene Länder, wobei die Grenze zur Ukraine und Belarus zudem EU-Außengrenzen bilden. Durch die Ostsee besitzt das Land einen Meereszugang. Diese geografische Lage begünstigt nicht nur die wirtschaftliche und kulturelle Entwicklung, sondern macht das Land leider auch zu einem attraktiven Standort für die organisierte Kriminalität. Durch die engen zwischenstaatlichen Beziehungen der beiden Nachbarländer ist die internationale Rechtshilfe in Strafsachen zwischen Deutschland und Polen besonders wichtig. Deutlich wird dies auch durch einen Blick in die Auslieferungsstatistiken, die zeigen, dass Polen stets unter den Ländern ist, mit denen deutsche Behörden im Bereich Auslieferungen am häufigsten und entsprechend am engsten zusammenarbeiten. Jedoch handelt es sich bei der zwischenstaatlichen Zusammenarbeit nicht nur um Auslieferungsersuchen, internationale Haftbefehle oder die Interpol Red Notices. Die gegenseitige Rechtshilfe im Verlauf von Ermittlungsverfahren und beim Aufspüren von Personen im Vorfeld des formellen Auslieferungsersuchens stellt einen großen Teil der Zusammenarbeit dar. Für die Einhaltung der Rechtsordnung und Sicherheit innerhalb des Landes ist insbesondere die nationale Polizei, die dem polnischen Innenministerium untersteht, zuständig. Daneben gibt es in den nationalen Polizeibehörden Abteilungen für internationale Kriminalität. In diesem Zusammenhang sind insbesondere internationale Datenbanken wie das Schengener Informationssystem (SIS) oder die Interpol Datenbank von großer Bedeutung. Daher ist es für eine erfolgreiche Verteidigung unerlässlich, in einem Strafverfahren, das internationalen Bezug hat, genaustens zu wissen, auf welcher gesetzlichen Grundlage die gegenseitige Zusammenarbeit basiert und den Einzelfall stets sorgfältig zu überprüfen.
Gesetzliche Regelungen
Die Auslieferung zwischen Deutschland und Polen ist durch die diesbezüglichen Regeln des Unionsrechts sowie durch das Europäische Auslieferungsübereinkommen (EuAlÜbk) des Europarats geregelt. Polen trat dem Europarat nach dem Fall der Sowjetunion am 26. November 1991 bei und ratifizierte das EuAlÜbk im Jahr 1993. Bis zu Polens EU-Beitritt am 01. Mai 2004 galten dessen Regeln im Bereich der Auslieferung. Mit seinem Beitritt zur EU traten schließlich die EU-rechtlichen Regelungen und somit auch der Europäische Haftbefehl in Bezug auf die internationale Rechtshilfe in Strafsachen und Auslieferungen in Kraft.
Der Europäische Haftbefehl
Der Europäische Haftbefehl vereinfacht die zwischenstaatliche Zusammenarbeit der EU-Mitgliedstaaten seit seiner Einführung im Jahre 2004 erheblich. Er dient zur vereinfachten Übergabe von gesuchten Personen zum Zwecke der Strafverfolgung oder Vollstreckung einer (Freiheits-)Strafe und ersetzt seit seiner Einführung die bis dahin durchgeführten langwierigen Auslieferungsverfahren. Das Verfahren basiert auf der gegenseitigen Anerkennung von Gerichtsentscheidungen und findet in allen Mitgliedsstaaten Anwendung. Ablehnen darf ein Land einen Europäischen Haftbefehl (EuHb) nur in einer beschränkten Auswahl an Fällen. Zu diesen zählen unter anderem eine frühere Verurteilung für dieselbe Straftat (nach dem Grundsatz „ne bis in idem“), die Minderjährigkeit der betroffenen Person, Verjährung der Tat oder ein noch laufendes Verfahren im Vollstreckungsstaat. Zu diesen Beispielen kommen jedoch noch zahlreiche Umstände hinzu, die als Ablehnungsgrund einer Übergabe auf Grundlage eines EuHb infrage kämen. Daher ist eine umfassende und genaue Prüfung des Einzelfalls stets erforderlich, um letztlich erfolgreich die Ablehnung des EuHbs zu erreichen.
Verfahrensrechte betroffener Personen
Entscheidend ist im Verlaufe des Verfahrens rund um die Ausstellung und Inhaftierung aufgrund eines EuHb selbstverständlich auch die Einhaltung der Verfahrensrechte der betroffenen Person. Diese reichen vom Recht auf Belehrung und Unterrichtung in Strafverfahren (Richtlinie 2012/13/EU) über das Recht auf Dolmetschleistungen und Übersetzungen (Richtlinie 2010/64/EU) bis hin zum Recht auf Zugang zu einem Rechtsbeistand in Strafverfahren (Richtlinie 2013/48/EU). Darüber hinaus finden insbesondere die Rechte aus Art. 47 – 49 der Europäischen Grundrechtecharta Anwendung, die u.a. Prinzipien wie das Recht auf ein faires Verfahren sowie die Unschuldsvermutung festlegen. An die europäische Grundrechtecharta sind nationale Behörden jedoch nur dann gebunden, wenn sie unter Anwendung von Unionsrecht handeln. Werden im Laufe eines Verfahrens die Grundrechte einer Person verletzt, muss sich auf nationales Recht berufen werden. Rechtsmittel sind dabei stets gegen die jeweilige nationale Behörde unter Anwendung von nationalem Recht und nationalem Verfahrensrecht einzulegen.
Gültigkeit europäischer Haftbefehl aus Polen
Bereits vor einigen Jahren kam die Frage auf, ob Europäische Haftbefehle, die aus Polen kommen, weiterhin vollstreckt werden müssen, obwohl Zweifel an der Rechtsstaatlichkeit des dortigen Rechtssystems bestehen. Im Jahr 2018 entschied der EuGH erstmal über einen entsprechenden Fall, vorgelegt von einem irischen Gericht. Mit einem Urteil vom 22.02.2022 (Rs C-562/21 PPU und C-563/21 PPU) bekräftigte der EuGH, dass die Rechtmäßigkeit und damit die Geltung des EuHb weiterhin vom Einzelfall abhängt. Ein Europäischer Haftbefehl aus Polen ist somit nicht automatisch ungültig, auch wenn das dortige Justizsystem systematische und allgemeine Mängel aufweise. Für die Prüfung des Einzelfalls entwickelte der EuGH eine zweistufige Prüfung: Zuerst müsse untersucht werden, ob aufgrund der Mängel im Justizsystem eine Gefahr für das Grundrecht auf ein faires Verfahren bestehe. Anschließend müsse geprüft werden, ob entsprechende Mängel im konkreten Fall Auswirkungen auf das Verfahren der betroffenen Person haben könnten. Dabei läge es am Betroffenen selbst, in seiner Verteidigung konkrete Anhaltspunkte dafür vorzubringen, wieso sich ein bestimmter Mangel im Justizsystem auf die eigene Strafsache auswirkt und dem Zugang zu einem fairen Verfahren entgegensteht. Lesen Sie hierzu mehr auf unserer Seite zur Gültigkeit eines Europäischen Haftbefehls aus Polen.
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